Donnerstag, 14. Juni 2012

Zwischen Ernüchterung und Begeisterung

Die Gruppe B lässt uns ein wenig ratlos zurück und wir dürfen uns über einen spannenden letzten Spieltag freuen. Das ist vor allem den Teams aus Portugal und Dänemark zu verdanken. Team Holland enttäuscht seine Fans und auch sich selbst.


Über die gestrige Begegnung zwischen Deutschland und den Niederlanden gibt es eigentlich nicht wirklich viel zu erzählen: Zu eindeutig war die Sprache des Fußballs auf dem Feld und drum herum gab's wenig Erwähnenswertes. Holland wie zuletzt gegen Dänemark mit der defensiveren Mittelfeldvariante van Bommel/de Jong, hinten wieder mit Joris Mathijsen, was aber letztlich egal war, denn die Verteidigung war wie schon gegen Dänemark in den entscheidenden Momenten leider zu verwirrt, zu langsam oder auch einfach nur zu dumm für die Deutschen. Letztlich hat Holland jedoch das Spiel im Mittelfeld verloren; gegen Schweinsteiger, Khedira und Özil fanden sie kein Mittel und ihr eigener Offensivgestalter, Wesley Snijder, blieb isoliert und konnte wenig Akzente setzen. Auch nach der Halbzeit, als van der Vaart und Huntelaar kamen, änderte sich am holländischen Spiel nur wenig, zum Schluss hin wirkten sie, als hätten sie sich schon vor langer Zeit aufgegeben, und das, obwohl ihnen sogar noch der Anschlusstreffer gelang. Pfui war das.

Deutschland agierte abgeklärt, aber wieder nicht so, wie man es sich vor dem Turnier erwartet hatte. Zwei Dinge aber sollte man hierbei bedenken: Erstens ging es gegen den nominell stärksten Gruppengegner und zweitens steigern sich die Deutschen bekanntlich im Laufe eines Turniers immer noch. Gegen Dänemark sollte man sich vielleicht auch noch nicht zu viel erwarten, denn die Deutschen sind schon so gut wie durch und die Dänen werden alles daran setzen, das Viertelfinale doch noch zu erreichen. Möglicherweise rennen sie dann ins offene Messer, gehen kläglich unter und Deutschland holt sich im letzten Gruppenspiel noch einmal ordentlich Selbstvertrauen für die KO-Runde und steigt dann als einzige Mannschaft mit 9 Punkten auf. Alles möglich, aber letztlich unwichtig.

Holland ist noch nicht raus, der Gedanke aber, dass man mit nur einem Sieg das Viertelfinale erreichen könnte, behagt mir nicht. Vor allem nicht in Bezug auf Holland, denn sie haben es sich nicht verdient. Spielerisch, taktisch und vor allem mental waren das zwei ganz bittere Spiele; es scheint, als wäre das Team, das vor vier Jahren alle überraschte, mit seinem Latein mehr oder weniger am Ende. Es wird Zeit für etwas Neues. Vor allem im Vergleich zu Portugal und Dänemark – zwei Mannschaften, denen zuzusehen eine einzige Freude ist – sind die Holländer klar die schwächste Mannschaft dieser Gruppe und würden vollkommen zurecht ausscheiden. Trotzdem: Die letzte Runde wird spannend!

Nach der gestrigen Begegnung zwischen Portugal und Dänemark würde man am liebsten beiden Mannschaften ein Gratis-Ticket ins Viertelfinale ausstellen – wären da nicht die Deutschen mit ihren 6 Punkten. Beeindruckend ist die Energie, die das portugiesische Team auf den Platz bringt, vor allem über das Aufziehmännchen Coentrao auf der linken Seite und Nani auf der rechten. Im Mittelfeld ordnet und waltet Moutinho mit beneidenswerter Übersicht und Ruhe. C. Ronaldo kämmt sich immer richtig und sorgt für viele gefährliche Aktionen – man kann von ihm halten, was man will, aber er ist anscheinend noch einer der wenigen Fußballer, die ordentlich schießen können. Vor allem wirkt er weniger übermotiviert als erwartet und versteht es, sich in wichtigen Situationen dem Team-Willen unterzuordnen anstatt seine Solo-Show zu bringen. Sollte das dem direkten Wirken des Trainers Paulo Bento zuzuschreiben sein: Respekt!

Aber diese Dänen! Was können so viele Mannschaften von diesen Dänen alles lernen! Wo größere Fußballnationen nach einem Gegentor moralisch einknicken, werden die Dänen erst richtig gefährlich. Das 2:2 wäre das gerechtere Resultat gewesen, letztlich hat sich aber dann doch das Team mit den individuell besseren Spielern durchgesetzt. Aber selbst nach dem 3:2 von Portugal hatte man noch keineswegs das Gefühl, das die Partie jetzt gelaufen wäre. Zum Schluss fand sich sogar Abwehrchef Daniel Agger regelmäßig im Sturm ein. Der Einsatz hätte belohnt werden dürfen, doch schließlich heißt das Spiel Fußball und nicht „Wünsch dir was“. Wir wurden jedenfalls verwöhnt, denn über weite Strecken war das ein sehr ansehnliches, ausgeglichenes, taktisch wie spielerisch beeindruckendes Fußballspiel mit fünf Toren, von denen besonders das 2:0 durch Helger Postiga hervorzuheben ist: Da war alles dabei, von der Aufbauarbeit durch Coentrao bis zum genialen Nani-Pass mit optimalen Abschluss. Ja, das ging ein bisschen leicht, weil die dänische Verteidigung kurz überfordert war, aber es gibt halt Mannschaften, die solche Situationen auszunutzen wissen, und andere, die das nicht können.

Besondere Erwähnung muss auch der Schütze des Siegestores, Varela Silvestre, finden. Der ist bereits im Deutschland-Spiel aufgefallen und hatte zuweilen schon dort den Ausgleich am Schuh. Auch sein Tor war bemerkenswert: Flanke von links, er fährt daneben, macht aber nichts, denn er schießt einfach nochmal und drückt den Ball für den Tormann unhaltbar ins kurze Eck. Lässige Unbekümmertheit war das: Ein Bruder im Geiste von Kuba Blasczyczokskiw... (schau!) Blaszczykowski! Bin gespannt, ob sich in diese Riege noch einer einzuordnen vermag. Mario Gomez ist noch nicht ganz da; zwar waren seine beiden Tore gegen die Niederlande auch gut gemacht, aber die Lässigkeit muss man einem Deutschen erstmal beibringen, sofern das überhaupt geht.

Heute gehen die Italiener in ihr zweites Spiel. Das ist aus mehreren Gründen interessant. Erstens, weil man jetzt erst sehen wird, wie sie „normal“ spielen (die Variante gegen Spanien war eine Ausnahme), und ob sie aus dem Offensivgeist, den sie im ersten Spiel gern gezeigt haben, gegen einen schwächeren Gegner ein attraktives Spiel nach vorne mit Toren produzieren können. Wenn ihnen das gelänge, wäre ich fast geneigt, für dieses Turnier Italien-Fan zu werden – das denke ich mir nun schon zum zweiten Mal. Dann aber lese ich wieder von Cassanos homophoben Äußerungen und schon wieder erinnern mich die Italiener daran, dass ihr Team zu einem großen Teil aus Unsympathlern besteht. Und das, obwohl sie mit dem Abgang von Gennaro Gattuso die Chance gehabt hätten, dieses Image ein bisschen abzulegen. Hach, mit diesen Italienern werde ich mir immer schwer tun! Dann lieber vorerst die Kroaten mit dem unglaublich lässigen Slaven Bilic...

Am Abend dürfen dann die Spanier die Iren abschießen – die armen, lieben Iren. Den Iren wird das vermutlich egal sein, sie werden einfach spielen, so gut sie können, Trapattoni wird wieder schreien, so laut er kann und am Ende werden sie mit null Punkten dastehen, sich trotzdem ermunternd auf die Schultern klopfen und sich auf das Bier nach dem Spiel freuen. Vielleicht geht ja wieder ein Freistoß-Tor und ein bisschen Kick and R(a)ush. Ich werde ihnen die Daumen halten, aber auch nicht sonderlich enttäuscht sein, wenn sie verlieren. Eben so wie das mit Holland gestern war.




Mann des Tages: Mario Gomez, der zwar nicht bester Deutscher auf dem Platz war, der jetzt aber endgültig seine Nominierung bestätigt hat. Deutschland hat jetzt also auch einen fixen gefährlichen Stürmer, dessen Frisur es mit der von C. Ronaldo aufnehmen kann.


Buhmann des Tages: Hier muss mindestens einmal Boris Kastner-Jirka stehen. Warum? Weil ich seine Stimme nicht mag. Es liegt etwas sich Ereiferndes darin, als ob er dauernd etwas total Wichtiges zu verlautbaren hätte. Manchmal kommt mir vor, er hat eine Lehre als Zeitungsjunge gemacht. Ruhig Blut, Boris, die meisten Spiele sind auch ohne dein Zutun spannend genug! Dieses Hektische verbindet ihn übrigens mit Roman Mählich, der sich auch immer durch seine Sätze hetzt, als ob es gelte, möglichst viele Wörter in möglichst kurzer Zeit hervorzusprudeln. Wie ein Schuljunge, der ein Gedicht aufsagt und meint, er würde eine bessere Note bekommen, wenn er dies möglichst schnell erledigte.
Nehmt euch ein Beispiel an (und ich bin wirklich überrascht, dies einmal sagen zu können): Oliver Kahn. Der hat offenbar eine ordentliche Sprech- und Rhetorikausbildung über sich ergehen lassen und spricht jetzt ruhig, klar und verständlich über das, was auf dem Platz passiert. Vielleicht verfügt der aber auch einfach nur über die entsprechende Coolness, die Kastner-Jirka und Konsorten von Geburt an fehlt.

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