Freitag, 8. Juni 2012

Mitfavoriten und Sorgenkinder

Heute geht’s endlich los! Die voraussichtliche Wappler-Gruppe A lässt uns aber noch ein wenig Zeit, uns mit der äußerst interessanten Gruppe D zu beschäftigen, denn die EM geht ja irgendwie doch erst morgen los.

Interessant ist die Gruppe D vor allem wegen Frankreich und England. Schweden, das vor ca. 20 Jahren das letzte Mal richtig gut war (immer wieder erschrecke ich darüber, dass ich mich daran noch so gut erinnern kann – an die Lagerbäck-Zeiten mit Thomas Brolin, Martin Dahlin, Henrik Larsson und Thomas Ravelli), bleibt jedoch weiterhin eine hoch sympathische Mannschaft, die unangenehm zu spielen ist. 31 Tore hat dieses schwedische Team in der Qualifikation geschossen, womit ihm in der Gruppe der zweite Platz hinter Holland (37 Tore) sicher war. (Übrigens hat nur Deutschland als drittes Team mehr als 30 mal getroffen.) Wir dürfen also vermuten, dass Schwedens Offensive durchaus in Ordnung ist. Diese dreht sich um Zlatan Ibrahimovic, den eitlen Geck, ohne den Schweden normalerweise besser spielt, was aber keiner wahrhaben möchte, weil er der letzte große Star in Schweden ist. Freilich gibt es da noch den uralten Mellberg in der Verteidigung, der aber ist schon so lange dabei, dass ihn gar keiner mehr wahrnimmt.

Schweden ist stark, wenn sie in Ballbesitz sind und nach vorne spielen können, aber hinten sieht es eher traurig aus. Teams wie Frankreich und England werden das auszunützen wissen, bei der Ukraine bin ich mir nicht so sicher. Das zweite Gastgeberland umweht immer ein trauriges Lüftchen Ostblockelend. Anders als Partner Polen kann man auf keinen nennenswerten Kader (oder schlagbare Gruppengegner) vertrauen. Auch abseits des Fußballs steht man nicht gerade solide da, und obwohl das eigentlich kein Thema sein sollte (auch bei den Griechen z.B. nicht), wird dies aufgrund der Tatsache, dass es sich um eines der Austragungsländer handelt, natürlich nicht wegzudenken sein. Natürlich zehrt man aber als Gastgeber immer auch ein bisschen vom Wohlwollen der Fans – keine Heimmannschaft hat sich ein vollkommenes Debakel verdient, auch wenn der Fußball noch so schlecht sein sollte. Die Stimmung könnte natürlich ein wenig kippen, wenn abseits des Rasens noch ein paar unangenehme Dinge passieren sollten – wovon jeder auszugehen scheint. Die Ukraine wird sich wohl mit Irland um den letzten Platz streiten müssen.

Hinter dem englischen Team steht wieder mal ein großes Fragezeichen. Das Mutterland des Fußballs kämpft erneut darum, dass der Fußball sich nicht seiner Mutter schämen muss. Das Wort „Personalprobleme“ fasst Englands Situation knapp zusammen: Trainer Roy Hodgson wurde nur einen Monat vor Turnierbeginn eingestellt und es fehlen wichtige Spieler wie Lampard verletzungsbedingt, während andere (Rio Ferdinand) aus „persönlichen Gründen“ nicht dabei sind. Katastrophal ist zudem die Sperre Wayne Rooneys – er ist bei den schwierigen Partien gegen Frankreich und Schweden nicht dabei. Sein Fehlen würde Ashley Young die Chance geben, aufzuzeigen, und auch der junge Danny Welbeck könnte sich aus dem Schatten seines gesperrten Teamkollegens bei Manchester United spielen. Ohne Rooney, so mag man meinen, stimmt oft die Moral nicht. Rooney ist nämlich das, was Stefan Maierhofer für Österreich gerne sein würde – ein Moralmotor und eine Energiezelle. Sollte England aber seinen Ausfall kompensieren können, werden sie nach seiner Rückkehr zu einem ernstzunehmenden Mitfavoriten.

So einer sind die Franzosen schon von Anfang an. Nach der Katastrophen-WM vor zwei Jahren und der Suspendierung des dummen Domenech kann aber alles nur noch besser werden. Und es sieht ganz danach aus, dass genau das auch passieren wird: Die Offensivabteilung mit Ribery, Malouda, Nasri und Benzema ist nicht nur hochklassig besetzt, sondern kann auch hochklassig agieren. Im Extremfall wird bei Frankreich das Positionsspiel aufgegeben und dann wirbelt es da vorne ordentlich herum – Teamchef Laurent Blanc hat diese Offensiv-Fluidität in der Vorbereitung erfolgreich getestet. Es handelt sich dabei um eine Kräfte zehrende und hochriskante Variante, die wohl nur phasenweise ausgespielt werden wird. Mit besagtem Personal aber ergeben sich überraschende Kombinationsmöglichkeiten, die jedem Gegner gefährlich werden können, und so steht zu erwarten, dass Schweden und England damit ihre Probleme haben werden. Aber auch Frankreich muss sich bei dieser EM erstmal bewähren und zeigen, dass es wieder Fußball spielen kann und will. Wenn alles gut geht, sind sie ein Final-Tipp, wenn nicht, dann ist im Viertelfinale Schluss. Die Gruppenphase sollten sie aber locker überstehen.


Worauf wir uns freuen können:

Das erste Spiel Frankreich gegen England wird spannend. Erstens handelt es sich dabei quasi um einen Klassiker des europäischen Fußballs und zweitens wissen wir wirklich erst nach diesem Spiel, was von den beiden Mannschaften zu erwarten ist. Damit sind Frankreich, England und Italien die drei Allzeit-Mitfavoriten, von denen wir diesmal noch fast gar nichts wissen.

Wir sollten uns auch die Schweden genau ansehen. Sie sind die interessanteste „dritte Mannschaft“ des Turniers und haben mit Frankreich und England die vielleicht unsichersten „logischen Favoriten“ an der Gruppenspitze.


Bemerkenswerte Namen: 

Joleon Lescott (ENG): Abwehrspieler von Manchester City; sein Name ist eine Mischung aus Lässigkeit und Tradition. Wäre Basketball in England von Belang, würde er sich dafür schon allein seines Namens wegen empfehlen.

Alex Oxlade-Chamberlain (ENG): Adeliger als der Mann von Arsenal heißt im englischen Team niemand. Das Chamberlain steht der doppelten l-x-x-l-Kombination fast schon versöhnend entgegen. Sprechen Sie nach: „Alex Oxlade-Chamberlain, Alex Oxlade-Chamberlain...“

Anthony Réveillère (FRA): Ein seltsamer Name, den der Lyon-Verteidiger da hat. Der Nachname mit seinem beliebigen Akzenten und dem etwas rätselhaften „ei“ könnte auch einem Widersacher oder Mitstreiter Robespierres gehört haben. Der Vorname allerdings schlägt diese Assoziation gänzlich in den Wind. Antoine wäre da besser gewesen.

Mathieu Debuchy (FRA): Wer denkt beim Defensivspieler aus Lille nicht an einen Komponisten, wenn er den Namen hört? Wie grausam wäre es, entpuppte sich der Komponist als kruder, holzbeiniger Rumpler!

Behrang Safari (SWE): Die Zeiten, in denen 80% der Namen im swedischen Team auf „-son“ geendet haben, sind längst vorbei. Behrang Safari von Anderlecht ist das beste und exotischste Beispiel dafür. Dafür gibt’s auch gleich zwei Olssons, einen Wilhelmsson, Svensson, Larsson, Antonsson und Hansson.

Wjatscheslaw Schewtschuk (UKR): Verteidiger von Schachtar Donezk. Wer Wjatscheslaw heißt, bräuchte eigentlich nicht mehr Schewtschuk heißen, aber so ist dieser Mann doppelt gefährlich!

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