Dienstag, 8. November 2016

Der erste Schnee

Jedes Jahr dasselbe: Es schneit, und sofort posten alle Zeugen dieses Naturvorgangs es auf Facebook. Dann kommen die Schlaumeier, die sagen, man müsse Schneefotos nicht dauernd auf Facebook posten, weil jeder selber aus dem Fenster sehen könne. Als ob Schneefotos das Schlimmste wären, was man täglich so auf Facebook findet. "Träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum!". Das lese ich täglich 350 Mal auf Facebook, und über diesen sinnleeren Satz hat sich noch nie jemand aufgeregt. Wahrscheinlich weil sie alle damit beschäftigt sind, ihren Traum zu leben - auf Facebook.

Dabei ist die Freude, die Menschen empfinden, wenn sie den ersten Schnee der Saison sehen, wenigstens noch etwas Echtes: die kindliche Glückseligkeit beim Anblick des wunderbaren Weiß. Lasst doch die Leute Schneefotos posten! Erstens sieht eben nicht jeder den Schnee, wenn er aus dem Fenster sieht. Schließlich ist der Witz an Facebook ja der, dass man da Sachen von Leuten sieht, die nicht unbedingt aus dem Nachbardorf kommen. Also freut sich vielleicht irgendein Schwarzwälder, bei dem es regnet, oder irgendein Australier, bei dem es grad unbarmherzig runterbrennt, über die Schneefotos der Pinzgauer.

Zweitens ist Schnee - solange wir ihn noch bekommen - etwas Magisches. Über Nacht verwandelt sich die Welt in eine einzige weiße Pracht, es riecht anders, die Welt klingt anders, wenn man auf dem Schnee geht, knackt es. Das ist doch der reinste Kindheitstraum, den man jedes Jahr gratis wieder aufs Neue erlebt! Daher freuen sich die Leute über Schneefotos - zumindest zum Winterbeginn. Da kommt es selten vor, dass einer ein Schneefoto mit einem grantigen Smiley goutiert oder schlicht "wäh!" drunter schreibt.

Schnee ist schön, magisch und sinnvoll. Darf man ruhig auf Facebook posten, denn jedes einzelne Schneefoto ist besser als alle Postings von Felix Baumgartner zusammen!