Dienstag, 31. Dezember 2013

Guten Rutsch!

Der vorletzte Tag des Jahres ist der 30. Dezember. An diesem feiern manche Leute in Österreich das sogenannte "Bauernsilvester", ohne zu wissen, was damit eigentlich gemeint ist. Das soll hier auch nicht aufgeklärt werden. Bauernsilvester dient sowieso nur als Ausrede, es auch am Abend vor dem Jahreswechsel schonmal ordentlich krachen zu lassen. Ich spreche hier nicht von Knallern.

So schob sich gestern Abend ein Paar britischer Provenienz ins Lokal und wünschte schon an der Türschwelle ein "Happy New Year". Gewiss war diesen Gästen der österreichische (?) Brauch (?!) des Bauernsilvester völlig unbekannt. Deswegen wurden sie aber nicht daran gehindert, sich anständig vollaufen zu lassen. Die Dame bestellte ein großes Glas Wodka mit einem "Spritzer" Orangensaft, der Herr begnügte sich mit einem Flaschenbier. "Happy New Year" frohlockten die beiden unaufhörlich und gerne hätte man ihnen gesagt, dass es ja noch gar nicht so weit ist. Gut, wir sprechen von britischen Touristen auf Winterurlaub, da sollte man es mit solchen Dingen nicht so genau nehmen. Aber tatsächlich lagen beide dieses Jahr voll im Trend.

Für mich war Bauernsilvester eine schöne Gelegenheit, das Jahr gemütlich mit geschätzten Menschen ausklingen zu lassen. Silvester eignet sich dafür ja nur bedingt, da diese Nacht an Irrsinn und Widerlichkeiten dem Fasching um nichts nachsteht. Heuer verzichtete ich auf Bauernsilvester und musste bemerken, dass alle anderen Menschen sich dieses "geheimen Feiertages" angenommen haben und ihn besinnungslos zelebrierten. Noch vor wenigen Jahren war der 30. Dezember der stillste Abend des Jahres - gleich nach dem 1. Januar versteht sich. Gestern aber musste ich mich wundern, ob ich mich denn nicht im Datum geirrt hatte und nicht doch schon Silvester war. Bauern! Überall fröhliche Bauern, die ihr Silvester feiern wollten. Freilich war der Großteil dieser "Bauern" in Wahrheit Dänen, Engländer und Holländer, die sich in ihrem Skiurlaub nicht an die allgemein akzeptierten Gepflogenheiten des Trinkkalenders halten wollten. Aber immerhin: Es war was geboten.

Noch mehr wundern musste ich mich allerdings heute, da sich schon am Vormittag die Menschen in den Straßen gegenseitig ein "Gutes Neues!" zubrüllten, als wäre schon der erste Jänner. Irre ich mich, oder hielt man sich mit diesem Wunsch noch bis vor kurzem zurück und wartete, bis das Neue Jahr auch tatsächlich angefangen hat. Freilich, man vernahm vor allem in den Geschäften den Wunsch, dass man gut "hinüber rutschen" sollte, und ja, ab und an wünschte man auch ein "gutes neues Jahr", aber die Mehrzahl dieser Wünsche ereignete sich doch erst nach dem Jahreswechsel. Wir haben es eilig mit der Wünscherei, und wenn mich jetzt mein Gedächtnis nicht trügt, waren die Leute heuer mit den Weihnachtswünschen auch schrecklich früh dran. Das erste "Frohe Weihnachten" vermeine ich am zweiten Advent vernommen zu haben. Oder hänge ich einfach nur hinten nach?

Aber wehe, wenn man jemandem im Vorhinein zum Geburtstag gratulieren will! Das geht gar nicht, weil das Unglück bringt und sowieso. Außerdem sehe man sich ja, wenn nicht am Geburtstag, so doch bald wieder mal und könne die Glückwünsche nachreichen. Der Eine oder Andere würde sogar dann auf vorträgliche Wünsche verzichten, wenn die nachträglichen erst in Monaten möglich wären. Quasi dem Motto folgend: "Ein nachträglicher Wunsch per SMS ist mir lieber als ein persönlicher im Vorhinein." Absurd ist daran vor allem, mit welcher Pedanterie hier Wünsche abgewehrt werden und welche Kasperliaden die Wünschenden aufführen, wenn sie sich dabei ertappen, dass sie dem Jubilar gerne im Vorhinein alles Gute wünschen würden, es aber aufgrund des Verbots nicht möglich ist. "Ich darf ja noch nicht, aber...", "man soll ja nicht im Vorhinein, also..." Greuliches Gestammle begleitet von entschuldigenden Mienen - ein Affenzirkus, der im Grunde vollkommen unnötig ist.

Zu Silvester kennen wir da nichts, obwohl das Jahr Geburtstag hat. Rücksichtslos wünschen wir einander schon Tage vorher ein "Gutes Neues", um so im alten Jahr unsere Schuldigkeit getan zu haben und das neue nicht mit ewigen Glückwünschen beginnen zu müssen. Die ganz Eifrigen (zu denen ich mich in manchen Jahren zählen mag) wünschen am 31. einen "guten Rutsch" und am Ersten dann "ein Frohes Neues" bzw. brüllen sie zur nullten Stunde ein heftiges "Prosit Neujahr!", das man durchaus mit einem Niesen vergleichen kann, verschafft es einem doch ungemeine Erleichterung.

Zwar weiß ich, dass der "gute Rutsch" eigentlich mit dem Rutschen gar nichts zu tun hat, weil das Wort aus dem Hebräischen "Rosch" abgeleitet wurde und "Anfang/Beginn" bedeutet (man möge mir verzeihen, dass ich das jetzt nicht wikipediatisch verbürgen kann), aber das Bild des Hinüberrutschens hat doch etwas sehr Vergnügliches und Frohsinniges. Mögen wir uns wünschen, dass wir alle wie Kinder auf einer Rutsche ins Neue Jahr rutschen und dabei vergnügt "Prosit" quieken, und lassen wir uns dann in aller Ernsthaftigkeit und Aufrichtigkeit "ein gutes Neues Jahr!" wünschen. In diesem Sinne: Guten Rutsch!