Donnerstag, 15. November 2012

Gibs auf

Der Dohlinger Franz erzählt:

"Gonz in da Fria is gwenn, auf da Stroßn koa Söi, und i bin zan Bonnhof gonga. Wiari mei Uh mit da Uh vom Kiachtiamei vaglichn ho, ho i gseng, dass dou scho a weng spada woa ois wia i ma docht hou; offt ho i recht an Gnett ghobb und vor lauta Hudln hou i offt neama gwisst wo i hi muas, wei in dem Deafei do ho i mi a no nid so guad auskennt. Wos moast wia froh i gwenn bi, dass i glei an Schantinga dawuschn hou! I zu eam zuachidoggit und gfrogg wo i hi muas. Owa der Nox houd nua deppat grinst und gmoat: 'Vo mia wüst du wissn, wo'st hi muast?' 'Jo', ho i gsogg, 'i siech mi söm neama aus!' 'Gibs auf, gibs auf', houda noand gsogg und si a so kommisch wegdraht, wia oana, der mit seim Lochn aloa sei wü."

Dienstag, 13. November 2012

Zeller Weisheit

"Wonnst an Kaffäh gengan Duscht trinkst, offt moggst glei an Schnopps gengas Kreizweh trinkn!"

Montag, 12. November 2012

Appell an die Brüllenden

Freundlichkeit ist ein dehnbarer Begriff und ein sehr strapazierfähiges Konzept. Man merkt dies zum Beispiel im Innergebirg, vor allem in den touristischen Regionen: dort, wo also die Freundlichkeit zu Hause ist, wie gerne behauptet wird. In Wahrheit ist das Innergebirg der Freundlichkeit ein so fremdes Umfeld wie die Sahara einem Pinguin. Trotzdem gibt es sie hier – irgendwie halt. Schließlich könnte man ja einen Pinguin auch in der Wüste aussetzen. Die Frage ist halt nur, wie er sich dort verhält und wie lange er überlebt!

Es gibt im Innergebirg zwei Arten der Freundlichkeit. Die erste ist jene den Gästen gegenüber. Es ist dies eine servile Freundlichkeit, die der Österreicher im allgemeinen besonders gut beherrscht. Mit Ehrlichkeit hat sie nichts zu tun. Manchmal erahnt man an ihr einen Hauch von Höflichkeit; das ist aber auch schon alles. Sie ist keineswegs von einem empathischen Miteinander gespeist und hat nichts mit Interesse an anderen Menschen zu tun. Eher mit allgemein akzeptierten Umgangsformen – mit eingeübten kulturellen Praktiken also, die man nicht verstehen muss, um sie zu beherrschen.

Die andere Art der Freundlichkeit ist von noch seltsamerer Natur. Sie hat ähnlich wenig mit tatsächlicher Anteilnahme zu tun wie die servile Freundlichkeit, aber sie hat existenzielleren Charakter. Sie ist quasi eine Überlebensübung und gerät als solche immer ein bisschen bemüht, ja wirkt mitunter verzweifelt. Deswegen äußert sie sich vor allem auch in überlautem Rufen bzw. 'Begrüßungsgebrüll'. Wenn also zum Beispiel ein Pinzgauer freundlich sein will, schreit er richtig laut „Servas!“ oder „Hawidere!“ und begleitet diesen Ruf mit übertriebenem Winken oder Deuten – als wolle er einen auf einem entfernten Gipfel stehenden Wanderer grüßen, auch wenn sich die gemeinte Person nur wenige Meter von ihm entfernt befindet. Die einfache soziale Gleichung, die hinter solch seltsamen Verhalten steckt, ist die folgende: „Je lauter ich mich verhalte, desto auffälliger widme ich mich der anderen Person, desto freundlicher muss ich also wirken.“ Dass dieses Gebaren nicht regelmäßig auf offene Ablehnung stößt, ist bloß dem Gewöhnungseffekt geschuldet, der sich einstellt, wenn man lange genug in der betreffenden Region freundlich gegrüßt wird – und auch selber grüßt.

Unter Freunden äußert sich besonders freundliches Verhalten gerne in übertriebenem Schulterklopfen oder gemütlichem In-den-Schwitzkasten-Nehmen. Was gleich bleibt ist aber der laute und mitunter raue Tonfall der Begrüßung, welcher oft ein noch lauteres „OH!“ voran- und ein tiefkehliges Lachen hintangestellt ist. „OH! Servas Kaiser! Hohohoho!“ oder „OH! Grias eich, Schweinsbeich! Huahaha!“ Auch die Verwendung von multiplen Grußformeln ist im Innergebirg nicht unbekannt: „Hallo, servas, grias di!“ oder „Grüß Gott, guten Morgen, hallo!“ hört man nur allzu oft. Besonders freundlich gemeint, werden multiple Grußformeln dann so gebrüllt, dass der Grüßende bereits vor dem Beginn eines möglichen Gesprächs heiser ist.

Zugegeben werden eben genannte Tugenden zumeist von Männern gepflegt, doch haben sie auch ihre weiblichen Entsprechungen. Ein falsetto-artiges „Grüß Gott!“, bei dem sich beim „Gott!“ die Stimme schon mal überschlagen kann, und dazu ein lippenstiftrotes, fratzenhaftes Lächeln – das sind die deutlichsten Anzeichen der existenziellen Freundlichkeit der Pinzgauerinnen. „Ja wie GEHT's dir denn?“ (hier hüpft der Kehlkopf beim „geht's“ fast aus dem faltigen Hals heraus). Auch die an die Begrüßung anschließenden Sätze werden übertrieben intoniert und von entsetzlichen Grimassen und Kopf-Schieflegen begleitet, das nach Meinung der Gesprächsteilnehmerin Empathie anzeigen soll, bei einem Außenstehenden allerdings nur Verstörung auslösen kann. Ein Tourist etwa, welcher der österreichischen Sprache und unserer Umgangsformen nicht kundig ist, kann solche Szenen nur als spontane Inszenierungen eines absurden Theaters wahrnehmen – niemals aber als jene völlig normalen Alltagssituationen, die sie in Wahrheit sind.

Aber auch als Bewohner besagter Region muss man diesen Emanationen Pinzgauer Geistes gegenüber kritisch sein. Daher sei hier in aller Deutlichkeit (aber in angemessener Lautstärke) gesagt: Lauter ist nicht gleich freundlicher – lauter ist grob! Lauter ist in den allermeisten Fällen unhöflich. Vor allem aber ist überlautes Begrüßen vollkommen unnotwendig, weil sich keine weiten Täler und keine tiefen Gräben mehr zwischen uns befinden. Wir sind zusammengewachsen im Innergebirg. Die Welt ist ein Dorf und das Dorf ist genauso kleiner geworden wie die Welt. Kein Grund zum Schreien! Der Fortschritt hat es uns sogar möglich gemacht, mit Menschen, die sich tausende Kilometer von uns entfernt befinden, in normaler Gesprächslautstärke zu kommunizieren, ja man könnte ihnen sogar ins Ohr flüstern! Warum also einen Bekannten auf der Straße derartig anbrüllen als habe er etwas angestellt? Mäßigt euch in der Lautstärke, liebe Innergebirgler! Die Freundlichkeit kauft man uns ja so oder so nicht ab...