Dienstag, 13. Mai 2014

Der Knopf

"Wo immer ein Knopf, da eine Lösung", denkt der moderne Mensch. Darum drückt er auf alle möglichen Knöpfe, wenn er sich verlassen fühlt. In Zeiten des Smartphones, die beinahe schon ohne materielle Knöpfe auskommen, mag die Feststellung schon fast antiquiert klingen. Dennoch: Hilft alles nichts mehr, muss der Home-Button her bzw. im Extremfall der Ein/Aus-Knopf.

Wo rührt es her, das blinde Vertrauen, das die Menschen jeglichen Knöpfen entgegen bringen? Hinter jedem Knopf steckt eine Automatik, die etwas passieren lässt. Denn jeder Knopf muss auch für etwas gut sein, warum sonst gäbe es ihn? So ist der Knopf ein Garant für einen geregelten Ablauf, der etwas in die Welt setzt, eine Funktion, ein Produkt eines oft geheimen, undurchschaubaren Prozesses. Dieser Prozess kann durchaus etwas Gefährliches sein. Man denke an all die roten Knöpfe in Filmen, die böse Dinge geschehen lassen. Da explodieren Bomben, da werden Maschinen in Gang gesetzt, die Tod und Verderben über ganze Städte bringen. Und doch: Der Knopf bleibt auch in diesen Situationen (zumindest für den Bösewicht) die letzte Versicherung einer funktionierenden Welt.

Wie groß dann die Empörung, wenn so ein gedrückter Knopf nichts bewirkt! Nichts Sinnloseres in diesem Universum gibt es als einen Knopf, der nichts geschehen lässt! Der Wahnsinn, den so ein wirkungsloser Knopf auslösen kann, lässt sich täglich an Fußgängerampeln erleben, immer dann, wenn Menschen empört mehrmals hintereinander auf den Ampelknopf drücken. Dieser macht auch immer brav "Piep", in machen Fällen geht ihm sogar ein Licht auf, aber oft lässt die erwünschte Wirkung sehr lange auf sich warten. Wütend wird er eindringlicher gedrückt, gerne auch von verschiedenen Menschen, die jeweils die Fertigkeiten im Knopf-Drücken ihres Vorgängers in Zweifel ziehen. Manche Leute scheinen nicht zu wissen, dass diese Fußgängerampelknöpfe nur nachts tatsächlich Wirkung zeigen, und sie der automatischen Ampelschaltung im alltäglichen Verkehr nichts entgegenzusetzen haben.

Und doch, die Faszination für den Knopf ist ungebrochen. Knöpfe strahlen ein fast heilendes Vertrauen aus. Sie beruhigen uns, denn sie geben uns Kontrolle - auch wenn diese in den meisten Fällen nur eine scheinbare ist.
Ich stelle mir einen Apparat vor, der nur aus einem Knopf besteht, der auf einer Art Sockel montiert ist. Drückt man den Knopf, gibt der Apparat ein akustisches, optisches oder meinetwegen auch haptisches Feedback. Sonst passiert nichts. Und doch würde ein solcher Apparat Seelenheil verbreiten. Wenn es einem schlecht geht, wenn man sich hilflos fühlt, so drückt man einfach auf einen Knopf. Und schon geht es ein wenig besser. Vielleicht erfüllen Smartphones einen solchen Zweck und wir bilden uns nur ein, dass wir die vordergründigen Funktionen, die diese Geräte haben, tatsächlich brauchen. Womöglich finden wir es einfach nur schön, das Telefon zu drücken und zu streicheln...