Donnerstag, 21. Juni 2012

Die Enttäuschenden

Es würde doch sehr verwundern, ein Team der Gruppe D im Finale zu sehen. Frankreich und England sind nach wenig überzeugenden Leistungen weiter, Schweden bäumt sich noch einmal auf und bei der Ukraine bleibt ein schlechter Beigeschmack.


Vor Beginn der EM habe ich erwartet, dass sich Frankreich in der Gruppe D deutlich durchsetzen wird, England es schwer haben wird und Schweden gefährlich werden könnte, während die Ukraine vernachlässigbar bleibt. Von diesen Vorhersagen hat sich nur jene über England bewahrheitet und selbst die wird durch den ersten Platz, mit dem die Engländer ins Viertelfinale aufsteigen, ironischerweise noch relativiert. Ironisch ist dies deshalb, weil der erste Platz der Engländer eigentlich überhaupt nicht in Ordnung geht. Der stellt sie nämlich auf eine Stufe mit Deutschland und Spanien - und das zeigt schon, wie absurd es in dieser Gruppe D eigentlich zugegangen ist.

Die Ausgangslage vor den Spielen gestern war recht klar: Schweden war schon ausgeschieden und die Ukraine konnte sich nur mit einem Sieg noch in das Viertelfinale retten. Wie nah sie einem solchen kamen, wagte sich aber vorher keiner auszumalen! Dabei spreche ich gar nicht vom Tor, das sie zwar geschossen, aber nicht zuerkannt bekommen haben, sondern von der schwachen Leistung der Engländer, die im Spiel gegen den Gruppenaußenseiter ihr wahres Gesicht gezeigt haben. Da waren über lange Strecken weder Wille noch Weg erkennbar, da wurde gar nichts gemacht. Das englische Tor fiel freilich aus einer Standardsituation und blieb eine der wenigen beachtenswerten Aktionen des neu hinzugekommenen Wayne Rooney. Die Engländer schienen von Anfang an auf ein 0:0 zu spielen, was eigentlich bestraft hätte werden müssen.

"Hätte werden müssen" ist allerdings eine Figur, die der Fußball nicht kennt. Das zeigte sich am deutlichsten beim Tor der Ukrainer: John Terry klärte den Ball dabei hinter der Linie, was der Torrichter, dessen einziger Job im Grunde darin besteht, bei solchen Aktionen für Klarheit zu sorgen, nicht gesehen hat. Das ist problematisch, zumal es bisher schien als wäre die Einführung der Torrichter eine gute und richtige Idee gewesen. Jetzt fangen eben die Diskussionen wieder an; und das, obwohl die Aktion schon zuvor abgepfiffen hätte werden müssen, da sie aus einer Abseitsstellung entstanden war. Irgendwie lustig, denn da wurde eine Fehlentscheidung durch eine andere wieder aufgehoben. Die Engländer kümmerte das alles wenig, sie fühlten sich für das nicht gegebene Tor von Bloemfontein bei der WM gegen Deutschland vor zwei Jahre gerächt. So einfach ist Fußball manchmal - mit oder ohne "hätte werden müssen".

Die Franzosen und die Schweden haben auch ihre wahren Gesichter gezeigt. Frankreich hat sein letztes Gruppenspiel verloren und damit bewiesen, dass es auch gegen mittelklassige Gegner nicht restlos überzeugen kann. Vielleicht klappt das gegen hochklassige Gegner besser. Das zu beweisen steht jetzt gegen Spanien an - als Strafe für den zweiten Platz in dieser Gruppe der Enttäuschenden. Schweden war vor dem letzten Spiel schon raus und zeigte dann erst, was möglich gewesen wäre. Das ist schön, wenn eine Mannschaft toll spielen kann, wenn es um nichts mehr geht – aber helfen tut das niemandem. Am allerwenigstens Zlatan Ibrahimovic, dem Berufsunsympathler, der sich wohl mit dem Tor des Turniers von ebenjenem und aus der schwedischen Nationalmannschaft verabschiedet hat. Wer jetzt Europameister wird, sei ihm „scheißegal“, so ließ er erst kürzlich verlautbaren. Recht hat er, der Ibra – uns war ja auch immer scheißegal, was er sonst so macht, wenn er grad nicht auf dem Platz steht.

Ein wenig ratlos müssen wir jetzt den Viertelfinalspielen mit den Überlebenden dieser Gruppe D entgegen sehen. Hat Spanien wirklich leichtes Spiel mit diesen Franzosen, oder sind sie noch für eine Überraschung gut bzw. kann Spanien wieder an die Form vom Irland-Spiel anschließen? Normalerweise müsste ein Fixeinzug ins Halbfinale sowohl für Spanien als auch für Italien drin sein. Aber Euros haben schon manche seltsame Geschichte geschrieben und daher wissen wir, dass wir mit einem „normalerweise“ genauso weit kommen wie mit einem „hätte werden müssen“. Attraktive Viertelfinalpaarungen sind das allemal; so rein vom Klang her erinnert uns das an verregnete Nachmittage unserer Kindheit vorm Computer. Da ließ man auch gerne Italien gegen England oder Frankreich gegen Spanien spielen – niemals aber Deutschland gegen Griechenland oder Portugal gegen Tschechien!

Heute geht es mit der KO-Runde los und mit einem Spiel, auf das man sich eigentlich freuen kann. Denn erstmal steht ein Team aus der Gruppe A einem ernsthaften Gegner gegenüber, noch dazu einem, der für mich zu einem der überzeugendsten der Vorrunde gehört. Portugal sollte dieses Spiel gewinnen, um sich die Chance zu sichern, im Halbfinale gegen Spanien irgendwie unglücklich ausscheiden zu können (dieses Skript habe ich in meinem Kopf für die Portugiesen reserviert). Die Tschechen sollten dabei kein Hindernis darstellen. Doch hier haben wir schon wieder so ein Wort im Konjunktiv: mit „sollte(n)“ kommt man auch nicht weit. Irgendwie ist diese vorsichtige Vorhersagerei aber langweilig, also sag ich's frei heraus: Portugal gewinnt 3:1 und Tschechien holt sich mindestens drei gelbe Karten, wenn nicht sogar eine gelb/rote. Ronaldo trifft übrigens auch heute wieder, allerdings nicht aus einer Freistoßsituation.

Achja: Bisher gab es kein 0:0 und ab jetzt gibt es kein Unentschieden mehr; ist doch irgendwie erfreulich. Bin gespannt, ob die Engländer wieder im Elfmeterschießen ausscheiden. Gegen Italien besteht zumindest immer die Möglichkeit, dass es so weit kommt...



Mann des Tages: Zlatan Ibrahimovic – der Anti-Ronaldo, zumindest was die Verteilung unter denen angeht, die Unsympathler lässig finden. Ich kenne niemanden, der sowohl C. Ronaldo als auch Ibra gut findet. Ich mag sie beide nicht, würde aber beide gerne im selben Team spielen sehen, nur um zu beobachten, wie Ibrahimovic mit Ronaldo umgeht!


Buhmann des Tages: Oleg Blokhin, der wie ein Rumpelstilzchen an der Seitenlinie herumhüpfte, nachdem das Tor für sein Team nicht gegeben wurde. Hätte er sich mehr auf seine taktischen Möglichkeiten besonnen, wäre da vielleicht noch was drin gewesen. So aber kam das allzu „ukrainisch“ herüber – und zwar ukrainisch im schlechtesten vorurteilsbehafteten Sinne.

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