Sonntag, 10. Juni 2012

Resultate vs. Realitäten

Ja, tatsächlich, endlich hat die EM angefangen. Die Gruppe B hält, was sie versprochen hat, aber es kam doch alles ganz anders, als viele sich das erwartet hatten. Dass Deutschland gegen Portugal gewinnt, hätten viele vorhergesagt, aber die meisten tippten auf mindestens zwei Tore Unterschied. Dass Dänemark gegen Holland gewinnt, hat keiner wissen können. Am Ende des ersten Durchgangs muss man aber doch feststellen, dass Portugal stärker und Deutschland schwächer ist als angenommen. Niederlande hat ungefähr so gespielt, wie man es erwarten konnte – natürlich noch mit viel Luft nach oben. Dänemark hat nicht wirklich überrascht, außer durch die wirklich starke Defensivleistung zum Ende des Spiels hin. Ironischerweise spiegelt sich das alles in den Resultaten gar nicht wieder.

Das ist der Kernwitz des Fußballs bzw. des Sports überhaupt: Nämlich, dass Resultate oft weniger über das Spiel bzw. die Leistung der Teilnehmer verraten, aber letztlich doch alles sind, was zählt. Daraus entspringt dann das dumme Ungerechtigkeitsgefühl des Fußball-Fans. Freilich ist keiner davor gefeit, seine Mannschaft als die unglücklich oder (wenn auch nur vom Schicksal) ungerecht behandelte zu sehen. Aber das ist dumm, weil Gerechtigkeit eben kein Begriff des Fußballs ist bzw. das Spiel selber ihn nicht kennt, sondern nur die Fans. Trotzdem gibt es natürlich so etwas wie Überraschungen und es ist dem ganzen Turnier zuträglich, dass gerade die Gruppe B gestern irgendwie doppelt überrascht hat.

Holland spielte eigentlich eh ganz gut, zeitweise sogar wieder brillant. Aber wenn man an die 30 Torchancen braucht, um null Tore zu erzielen, hilft einem das eben wenig weiter. Die bekannte Abwehrschwäche der Kaasköppe zeigte sich auch gestern wieder deutlich. Aber Holland konnte bisher immer mehr Tore schießen als es bekam. Es gibt aber doch einiges zu bemängeln. Erstens, warum Bert van Marwijk gegen Dänemark die defensive Mittelfeldvariante (mit van Bommel und de Jong als 6er) statt der offensiven bevorzugt.

Von den Dänen war offensiv wenig bis gar nichts zu sehen (Bendtner, hallo?), da braucht man keine zwei Holzfüße im defensiven Mittelfeld, die nach vorne gar nicht (de Jong) bzw. zu langsam (van Bommel) wirken. Und die ohnehin schwache Verteidigung wird man durch zwei solche Prügelknaben auch nicht entlasten können – dann lieber früher attackieren. Wie schlecht das ausgesehen hat, als Holland sich in der eigenen Hälfte vor Dänemark versteckt hat, war kaum auszuhalten!

Freilich fehlen an den Außenpositionen Leute wie Giovanni van Bronckhorst (wehmütig habe ich mich gestern an dessen starkes Turnier vor vier Jahren erinnert), die schnell und effektiv nach vorne spielen können. Aber wenn man solche schon nicht hat, warum dann im zentralen Mittelfeld auch noch holzen? Gegen Dänemark!

Vorne rechts hat man den ewig gleichen Robben, der brav läuft und wirbelt, dem aber immer wieder nur die alten Tricks einfallen, von denen sich nur jene noch hineinlegen lassen, die in den letzten Jahren kein einziges Spiel der Bayern oder der holländischen Elftal gesehen haben. Das wird echt langsam bitter, Arjen! Trotzdem ist man personell in der Offensive einfach überlegen; und das wurde viel zu wenig ausgespielt. Da war viel Statik und über weite Strecken zu wenig vom spanischen Oranje-Fußball zu sehen – stattdessen handelte man sich die spanische Krankheit ein: zu viele Chancen zu benötigen.

Sneijder hingegen hat mich überrascht, der ist nach wie vor der beste und aktivste Mann auf dem Platz (sein langer Pass auf Huntelaar war die Aktion des Tages – perfektes Timing, großartige Übersicht und technisch einwandfrei). Huntelaar für van Persie hätte man schon nach der Halbzeit bringen können, stattdessen gab es viel zu spät eine Doppelspitze – nicht schlecht, aber eben zu spät. Auch van der Vaart hätte schon zur Halbzeit für de Jong kommen müssen. Warum so lange am Bestehenden festhalten, wenn man eh schon hinten ist? Weil man sich vor den Offensivaktionen der Dänen gefürchtet hat? Alles too little, too late – man muss aber auch vor Dänemark den Hut ziehen, dass sie keine Nerven gezeigt haben und die schmale Führung trotz ständiger Unterlegenheit bis zum Schluss halten konnten.

Das scheint überhaupt die Devise für die sogenannten „Kleinen“ zu sein: Aus nichts ein bisschen was machen – und dann schauen, was passiert bzw. intelligent verwalten. Das kommt aus der Chelsea-Inter-Italien-Schule, aus dem verzweifelten Sich-gegen-das-Tiki-Taka-Wehren, ist taktisch hoch interessant, aber halt nicht immer so toll anzusehen. Wer Popcorn-Fußball will, der schaue sich Spiele des GAK an – in der Regionalliga.

Achja, und da war dann noch Portugal, die irgendwann in der zweiten Hälfte gemerkt haben, dass sie doch guten und gefährlichen Fußball spielen können, nachdem ein paar Deutsche gemerkt hatten, dass Portugal nicht nur aus C. Ronaldo besteht. Letzterem machte der böse Boateng, der sich nach seinem Late-Night-Eklat natürlich beweisen wollte, unschädlich. Aber nicht nur Boateng, sondern vor allem auch der Hummels überzeugte defensiv über alle Maßen.

Der Rest blieb fraglich, vor allem die eigentlichen Hauptakteure Schweinsteiger und Özil wirkten irgendwie schaumgebremst – bei Schweinsteiger ist es wohl die Form, bei Özil macht das alles nichts, weil er auch so immer noch gefährlich genug ist und es ja auch noch Khedira gibt. Aber auch wenn man diesmal mit alten deutschen Tugenden gewonnen hat: die drei Punkte sind im Sack („The cat is in the sack“, würde Trapattoni sagen) und wenn es gegen die Niederlande geht, sind es die Holländer, die unter Zugzwang stehen. Eigentlich eine recht komfortable Ausgangsposition, v.a. mit Dänemark als letztem Gegner in der Gruppe. Was aber, wenn die Dänen... ach was!

Trotzdem: Ich bitte die Deutschen, den neuen Weg, den sie die letzten vier Jahre so erfolgreich eingeschlagen haben, nicht zu verlassen. Die Fans, die Schlander, die sind leider unverbesserlich – das ist einfach eine Mentalitätsfrage, da werden die Rüben nicht mehr mit der Spitze voran aus der Erde wachsen. Was war denn das mit den Papierkugelchen schon wieder für ein Mumpitz? War jetzt nicht das große Drama, aber auffallen um jeden Preis ist denen schon wichtig...


Mann des Tages: Morten Olsen – der Look allein ist einfach überzeugend und hat was Fuchsiges. Wie man eben aus nichts ein bisschen was macht.


Buhmann des Tages: Bert van Marwijk – der hat heute die Partie irgendwie wie ein rauschiger Konsolenspieler verdaddelt.


Geste des Tages: Wie sich Mario Gomez alle zwei Minuten durch die Haare fährt... wie um C. Ronaldo zu zeigen, dass er geilere hat als der Drei-Wetter-Taft-Cowboy.

1 Kommentar:

  1. zu den schlandern siehe:

    http://dominik.soup.io/since/256428884?mode=friends

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