Mittwoch, 31. August 2011

Reise in einen unbekannten Bundesstaat

Auf einer wilden Rundfahrt durch den amerikanischen Südosten habe ich wieder zwei neue Staaten kennengelernt: Die Carolinas. North Carolina besticht durch seine für Südstaatenverhältnisse ausgesprochen vielfältige Vegetation, während South Carolina den Küstenreisenden schön langsam auf Florida vorbereitet. Diesmal erreichte ich aber den südlichsten Punkt in Savannah, der geschichtsreichen ältesten Stadt Georgias und sicher einer der schönsten Städte in den USA. Von dieser Reise versuche ich in einem ersten Teil über North Carolina zu berichten.

Wir bahnten uns unseren Weg durch das hintere Tennessee, wo am Fuße der Smokey Mountains der Ocoee-River einmal fließt, dann wieder gestaut wird. Hier fanden während der olympischen Sommerspiele 1996 die Wildwasser-Kajak-Bewerbe statt. Zu diesem Zwecke wurde das Flußbett erweitert und mit zusätzlichen Felsen ausgelegt; heute lässt sich kaum mehr unterscheiden, welche Steine schon da waren und welche erst später hinzukamen. Bei unserem Besuch zeigte sich die Szene ziemlich trocken, was darin liegt, dass dieser Teil des Flusses nur an Wochenenden geflutet wird. Unter der Woche wird das Wasser zur Stromerzeugung genutzt und über Kraftwerke geleitet. Daraus ergibt sich einmal mehr diese eigenartige Verbindung von schönster Natur und zweckmäßiger Technisierung derselben. Anscheinend lässt sich in den USA alles ein- und ausschalten, auch die Flüsse.


Weiter flussaufwärts gelangt man, vorbei Ortschaften mit klingenden Namen wie Ducktown, über die Hügel der Südappalachen nach North Carolina und damit in den Nantahala Nationalpark. Der Highway 74 bringt einen nordostwärts schließlich nach Asheville, wo man die Smokey Mountains langsam hinter sich lässt. Dort befindet sich auch das beeindruckende Biltmore-Haus, vermutlich das prächtigste historische Gebäude in den USA (mit Superlativen lässt sich nur schwer sparen!). Dafür hatten wir aber keine Zeit, weil North Carolina einer dieser Staaten ist, die sich ärger in die Länge ziehen, als es die Straßenkarte vermuten lässt. Und wir mussten nach Raleigh, der 4 Stunden entfernten Hauptstadt.


Was in North Carolina im Unterschied zu Ost-Tennessee und vor allem Nord-Georgia sofort auffällt, ist die abwechslungsreichere Vegetation. Besonders im hügeligen Westen des Staates finden sich kaum Nadelbäume, was im Herbst eine farbenprächtige Landschaft entstehen lässt. Erst hier lässt sich dann begreifen, was mit dem Begriff Indian Summer gemeint ist. Auch die Landschaftsarchitekten sind sich des floralen Reichtums der Gegend bewusst und deshalb werden sogar neben Autobahnabfahrten die schönsten Blumen, Sträucher und Bäume gepflanzt. Das alles aber mit angenehmer, fast ungewohnter Zurückhaltung.

Diese Zurückhaltung findet sich schließlich auch in den ländlichen Gegenden rund um Raleigh und Chapel Hill. Das Gras ist hier tatsächlich grüner als anderswo, die Häuser sind ein bisschen großzügiger und sauberer. Hier verschmelzt eine ländliche Idylle mit dem modernen, suburbanen Leben einer Gegend, die vor allem als Technologie- und Forschungsstandort bekannt ist. Die Universitäten (UNC, NC State, Duke University) gehören nicht nur zu den besten des Südens, sondern genießen auch internationales Ansehen.


Was Zentral-North-Carolina so reizvoll macht, ist genau diese Verbindung aus gemütlichen, ländlich geprägten Lebensstil und der Zukunftsgewandtheit in den Köpfen der Leute. Es fühlt sich hier alles richtig an, maßvoll, ja vielleicht sogar ein bisschen europäisch, obwohl viele Regionen Europas sich ein Beispiel an NC nehmen sollten. Und das alles geschieht ganz ohne großen Glanz - wer weiß hier schon über North Carolina bescheid? Insofern löst dieser Bundesstaat, der mir nun mein liebster geworden ist, sein hoch sympathisches Motto tatsächlich ein: Esse quam videri - mehr sein als scheinen.

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