Montag, 8. August 2011

Peripatos

Denke einer einmal im Liegen nach! Das Auf-dem-Rücken-Liegen scheint mir die ungünstigste Position zu sein, die Gedanken in den freiesten, aber dennoch sicheren Bahnen schweifen zu lassen. Als sammle sich alles Blut im hinteren Teil des Hirns, welcher, soviel Verständnis sei auch dem Laien zugemutet, für vernunftgeleitetes Reflektierten ganz und gar nicht sich geeignet zeigt, macht sich in dem vorderen Kopfe eine Leere breit, die mit den besten Gedanken mühsam zu vertreiben niemand die Kraft aufbrächte, sei ihm daran gelegen, den Kopf mit erbaulichen Inhalten zu füllen. Es ließ sich der gegenteilige Effekt, dass also das Blut sich in der vorderen Stirne sammle, durchaus dadurch erzielen, dass man es sich auf dem Bauche liegend bequem machte; doch bedenke man für diesen Fall die Schwierigkeit des Atmens, welche sich durch allzu große Reibung zwischen dem Gesichte und der jeweiligen Unterlage ergäbe und welche Unannehmlichkeit ein solchermaßen bedrängtes Gesicht, wie es sich durch eine plattgedrückte Nase am ehesten verbildlichen ließe, bei dem Liegenden verursachen müsse! Auch das Drehen allein des Kopfes nach der Seite führt das Problem der ungünstigen Blutverteilung im Gehirne keiner zufriedenstellenden Lösung zu. Mutlos schwappt das Blut im Hirn umher, wohin man den Kopf auch dreht, nur dort, wo der geistig angestrengte Mensch es haben will, ja haben muss, dort will es nicht hin.

Nun soll es Zeitgenossen geben, die sitzender Weise nachzudenken pflegen. Doch ei, auch diese Haltung des Körpers führt nicht dazu, das vordere Hirn genügend mit jenem sauren Stoffe, der Oxygenium genannt wird, zu beliefern. Das Blut sackt in die geknickten Beine und verharrt dort, nur wenig vom Kreislauf in die Schwünge gebracht und nur zaghaft in den Kopf vordringend, der, man bedenke dies!, in sitzender Position den höchsten Punkt des Körpers markiert, und dadurch von der Schwerkraft auf die dringlichste Weise angezogen wird. So senkt sich langsam das Haupt vieler, in solch sitzender Position verweilender, Berufsdenker über einen längeren Zeitraum hinweg, der Kopf strebt also dem Studiertisch entgegen, die Muskeln im Nacken fallen einer sich über den ganzen Körper ausbreitenden Müdigkeit anheim. Dies zum mindesten hat die Wirkung, dass jenes wenige Blut, welches noch in den feinen Äderchen des Kopfes kreist, nach vorne, also gegen die Stirne gedrückt wird und es also zu jenem gewünschten Effekte kommt, welcher uns von vorneherein oberster Zweck gewesen war. Jedoch, dieses Blut ist selbst müde und verbraucht und seine Wirkung in der Stirne beschränkt sich alsdann auf eine kurzweilige Anhebung der Konzentration, welche zu dem Zeitpunkte, da der Studierende bereits halb vornüber gekippt war, in demselben ein Erlebnis auslöst, das am gelungensten mit dem Worte 'Wachschock' zu beschreiben wäre. So reißt jenes Absinken des Kopfes den Müden aus seinem Dämmern, dem Wunsch nach ausreichender Durchblutung der vorderen Hirnregionen zum Zwecke des Denkens ist aber nicht genüge getan.

Wie also Nachdenken, wenn nicht im Liegen und auch nicht im Sitzen? Es bleibt als einzige Möglichkeit noch der beherzte Gang, der flotte Schritt ohne bestimmtes geographisches Ziel, wohl aber mit der intentio, dass sich im Kopfe einiges rühre. Das Gehen nämlich treibt den Kreislauf, und obschon hier für die Position des Schädels das gleiche gelte wie beim Sitzen, nämlich dass er in der Höhe sich befinde und also der Kreislauf gegen die Schwerkraft anzukämpfen habe, ist es uns augenscheinlich, dass die ungleich größere Kraft des durch Bewegung erhitzten Blutkreislaufs diese Schwierigkeit allzu leicht zu umgehen weiß. Zudem befände man sich, ginge man nachdenkend spazieren, in der frischen Luft, welche besonders in Wald- und Wiesengegenden mit dem frischesten Sauerstoffe die Lungen zu versorgen sich im allerhöchsten Maße anschickt. So wandle man also, ganz nach Lehre des Peripatos, denkend durch die Welt, anstatt sich im Hause sitzend zu quälen oder gar liegend jene kostbare Zeit, die jeder Erdenmensch, der ja nur ein Wurm ist, zur Verfügung hat, vergehen zu lassen!

3 Kommentare:

  1. es würde der leserfreundlichkeit nicht unzuträglich sein, würdest du dich des öfteren jener taste des ziffernblocks, der auf dem tisch steht, gegen den du dein haupt nur ungern zum denken neigst, bedienen, die sich zwischen der beistrich- und der minustaste befindet . ;)

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  2. Genau deswegen wurde ja darauf verzichtet ;-)

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  3. Als würde sich das wirklich Erdachte und also das aus der Fülle des Seins selbst deduzierte Vernünftige und Wahre in die Begrenztheit und Begrenzung zweier Punkte zwingen lassen!
    Der Hofrat.

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