Donnerstag, 1. September 2011

Die Farbe macht den Unterschied

Kennen Sie Carolina-Blau? Das ist jene Farbe, die am Campus der University of North Carolina dominiert. Dieses zarte Blau ziert außerdem auch die Straßenschilder in Chapel Hill. Es ist eine freundliche Farbe und bietet einen schönen Gegensatz zum aggressiven Rot der Carolina State University - dem Lokalrivalen. Dass Amerikaner gerne T-Shirts und Kappen tragen, scheint bekannt zu sein. Dass dies aber ein wichtiger Teil des Selbstverständnisses ist, scheint weniger bekannt. Mein Onkel sagt, hier trägt man Shirts und Kappen wie Reklamen für sich selbst. Die Kleidungsstücke signalisieren: "Hier war ich schon" oder "Das gefällt mir". Klingt irgendwie nach Facebook, nicht?

Es ist den amerikanischen Studierenden wichtig, die Zugehörigkeit zu ihrer Universität zur Schau zu tragen. Dies gilt besonders für angesehene Schulen oder Schulen, deren Sportteams sehr populär oder erfolgreich sind. Der Sport (meist Football) ist auch das Bindeglied zur außeruniversitären Gesellschaft. So ist in Tennessee die Farbe der Universität von Knoxville (University of Tennessee Orange) allgegenwärtig. Man findet sie nicht nur auf Nummernschildern deutscher Sportautos, sondern auch auf Fahnen, Wimpeln oder Schaukelstühlen vor den Wohnwägen der ärmeren Schichten. Natürlich identifiziert sich Joe the Plumber vorwiegend mit dem Footballteam der Tennessee Volunteers, und ist nicht wirklich "Fan" der Universität als Bildungseinrichtung. Aber man sieht, dass die Corporate Identities der amerikanischen Hochschulen so wirken, wie sie wirken: als Identifikationsangebote, die Patriotismus und Zugehörigkeitsgefühle gleichermaßen bedienen.

Wandert man also auf dem Campus der UNC herum, wird man bemerken, dass 2 von 3 Studenten irgendetwas Blaues tragen; egal, ob es sich dabei um Kappen, Hosen, Shirts oder Zehennägel handelt. Bemerkenswert ist, dass es sich dabei nicht um einen Uniformzwang handelt, sondern man hier ganz selbstverständlich und stolz die Farben seiner Alma Mater trägt. Einem Österreicher mag das komisch vorkommen, denn hierzulande ist das öffentliche und sichtbare Bekenntnis zu einer Gruppierung entweder höchst verdächtig, oder höchstens im Sport erlaubt - und selbst dort wird es sanktioniert, wenn man zu den "Falschen" gehört. Man verstehe mich nicht falsch: Ich muss nicht mit einem roten NC State T-Shirt über den UNC Campus laufen. Aber dass mir da was passieren würde, wage ich zu bezweifeln. Ich müsste höchstens mit ein paar scherzhaften Kommentaren rechnen oder würde verwunderte Blicke kassieren. Möchte ich mit einem Austria Wien Trikot durch Hütteldorf spazieren? Ich weiß nicht...

Vielleicht vergleiche ich hier Äpfel und Birnen. Aber wie in den USA Rivalität gelebt und interpretiert wird, finde ich sehr aufschlussreich. Man hat hier das sentimentale und unerträglich romantische Gefühl, dass das Gemeinsame (die Liebe zum Sport) das Trennende (die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Teams) übersteigt. Vielleicht ist das Zur-Schau-Tragen von Kappen und Shirts auch nur ein Schmäh. Der Amerikaner jedenfalls weiß, dass er von einem Typen, der die Kappe "seines" Teams trägt, erstmal nichts zu befürchten hat. So suchte mein Onkel auch am Strand von Daytona fast instinktiv die Nachbarschaft einer Familie, die im Sand ein Zelt aufgebaut hat, welches das Zeichen der Georgia Bulldogs trug. Und letztlich ist diese Selbstbewerbung immer auch ein netter Anlass zu einem Gespräch unter Fremden. Vielleicht ist es das, was den Amerikanern daran so gefällt: Man weiß, dass man vom Gegenüber nichts zu befürchten hat. Das mildert die latente Panik ein bisschen.

Bei uns gibt es auch so etwas. Da sagt man: "Am Berg triffst koane zwidan Leit!" Außer es handelt sich um Deutsche, gell?

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