Mittwoch, 7. September 2011

(K)ein Regenschirm?

"Go see a museum!", ist die häufigste Antwort auf die Frage, was man an einem Regentag in New York City unternehmen soll. Davon gibt es ja hier mehr als genug. Museum of Modern Art zum Beispiel. Vorgestern gemacht. Das Guggenheim-Museum: gestern gemacht. Hätte es heute den ganzen Tag durchgehend geregnet und hätte es nicht diese kurzen, verlockenden Regenpausen gegeben, wahrscheinlich wäre heute das Met dran gewesen - und zwar den ganzen Tag.

Da Regenschirme über Köpfen balanciert werden, verdecken sie die wichtigste Blickrichtung in New York: nach oben. Also Regenschirm weglassen und sich anregnen lassen? Das ist nur eine unbefriedigende Lösung. Zähneknirschend hetzt man durch die Straßen, sucht Schutz vor dem Wasser in U-Bahn-Stationen und Kaufhäusern. Bei Hollister stehen die Beachboys auch bei einem solchen Wetter in Badehose vor der Türe und fragen frech "Hey, what's up?". Überhaupt sagt in diesem Geschäft jeder "What's up?" - und mehr darf man sich auch nicht erwarten. Um die Kommunikation zu verkürzen, deute man auf ein Kleidungsstück und sage "Large!", denn so dunkel, wie es in diesem Laden ist, lassen sich die Größen nur schwer selbst ablesen. Soll also der Beachboy suchen. Der wackelt kalifornisch mit den Hüften und beginnt zu kramen. Ich mag dieses Geschäft irgendwie nicht. Trotzdem kaufe ich was, werde in den obersten Stock des viel zu kleinen Geschäfts gescheucht, bezahle, bahne mir treppab den Weg zum Ausgang, wieder fragt man mich "What's up?", schön langsam werde ich zappelig.

Am Eingang wieder ein Beachboy, an ihm vorbei verlasse ich das Geschäft. Er schaut mich an, fragt "Hey, what's up, dude?", und wenn ich nicht wüsste, dass er das nur sagt, weil man ihn sonst hinausschmeißt, weil also ein "What's up?" zu wenig ihm den Job kosten könnte, dann würde ich ihm "Fuck you, dude!" sagen. Aber das tue ich nicht, weil er kann ja nichts dafür und überhaupt muss er in Badehosen bei einem Regentag auf der Fifth Avenue stehen und das ist Strafe genug, finde ich. Also sage ich nur "jaja" und gehe.

Im Zimmer föhne ich meine Kleidung. Regenschirm hab ich mir keinen gekauft. Denn immer, wenn ich im Begriff war, mir einen zuzulegen, wenn ich mir gedacht habe "beim nächsten Regenschirmverkäufer schlage ich zu", wenn mir also der Regen ins Gesicht peitschte und ich bereit war, mich dagegen mit einem Schirm zu schützen, immer dann war weit und breit kein Regenschirm zu finden. Kaum hörte aber der Regen auf, kaum fing meine Jacke an, trockener zu werden, kaum keimten die ersten Hoffnungsschimmer auf ein paar trockene Stunden: schwupps, da stolperte ich alle 30 Meter über einen schmierigen Regenschirmstraßenverkäufer. "Umbrella, umbrella!", schrien sie mir ins Ohr gleichsam als Stimme der Vernunft, weil sie ja eh Recht hatten. Aber ich dachte mir, dass es ja eh geht, dass es ja eh nicht mehr regnet, dass es vielleicht sogar ganz aufgehört hat. Vor allem dachte ich mir, dass, wenn ich mir jetzt einen Schirm kaufe, es sowieso nicht mehr regnen wird. Das ist wie mit der Zigarette und dem Autobus. Aber ein paar trockene Stunden waren mir anscheinend keinen Regenschirm wert; weil es gibt nichts Lästigeres als einen Regenschirm, den man nutzloserweise mit sich herumschleppt. Das brauch ich nicht, vor allem nicht in New York.

Also föhne ich lieber meine Kleidung und hoffe, dass morgen, wenn ich plane zu den US Open zu gehen, es zu Regnen aufgehört haben wird. Vielleicht kaufe ich mir am Vormittag doch noch einen Regenschirm - abergläubischerweise -, auch wenn ich ihn dann wie eine lächerliche Hasenpfote mit mir herumschleppe und er nicht zum Einsatz kommt. Wenn ich dann einen Beachboy treffen sollte, der mich frech "What's up?" fragt, dann kann ich den Schirm wenigstens für etwas Sinnvolles verwenden und den Beachboy damit ordentlich verhauen. Damit er nicht mehr fragen muss.

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