Donnerstag, 7. Juli 2011

Am Mittwochsfestl

Am Stadtplatz stehen sich wieder einmal die Leute gegenseitig im Weg. Betrunkene Touristen, betrunkene Einheimische und solche, die es noch werden wollen - sowohl einheimisch als auch betrunken. Auf einer Bühne sitzen 4 junge Burschen und spielen Harmonika, aber niemand hört zu. Es ist Mittwochsfest und zwar das erste des Jahres, das Wetter ist schön und also ist man gezwungen hinzugehen. Bei mir geht ein riesiger Holländer vorbei, er hat eine Gämse auf dem Kopf. Vielmehr handelt es sich um eine Kopfbedeckung in Gämsenform. Sie können sich das jetzt vorstellen, wie Sie wollen - in Wirklichkeit sieht so etwas noch viel schlimmer aus.

Der Spritzer ist warm, das Bier grausig, die Bedienung langsam. Viele Mundwinkel lässt das aber nicht nach unten hängen, denn irgendwie ist man froh, dass es überhaupt was gibt und sowieso: Gerade die Zeller jammern ja auf höchstem Niveau. Gehen wir halt zu einem anderen Standl, es gibt ja genügend! Ich will wieder bergwärts, denn von dort kommend habe ich zuvor eine von Havana Club gesponserte kubanische Band gesehen. Vielmehr handelt es sich um einen Gitarristen und Sänger, einen Rastamann mit Trommeln und zwei karibische Schönheiten, die tanzend Rhythmusinstrumente bedienen. Ihre Rasseln haben es mir angetan.

Oben angekommen muss ich feststellen, dass die Havana Club Habaneros Pause machen. Ich trinke tschechisches Budweiser, nenne es bei der Bestellung ein "Technisches" und der Kellner muss - wie immer - lachen. Zwar finde ich den dummen Wortwitz schon lange nicht mehr lustig, aber ich weiß genau, dass er von mir erwartet wird. Letztens wollte ich einmal ein "Tschechisches" bestellen. Da hat mich der Kellner fragend angesehen und gesagt: "Du meinst ein Technisches?". Ja, meinte ich. Na also. Dem "Technischen " lasse ich ein Gin Tonic folgen, die Havana Club Mädchen tanzen schon wieder, auch ich versuche es ein bisschen. Ich halte mich für mittelmäßig musikalisch, aber karibische und südamerikanische Rhythmen verwirren mich prinzipiell. Immer, wenn man glaubt, jetzt habe man es heraußen, stolpert man wieder über eine scheinbar willkürlich gesetzte Pause, sucht den Takt, versucht es von vorne, hat es wieder gefunden und dann macht es "bamm bamm...... bamm bam bam" und alles geht wieder von vorne los. Ich klemme mir eine Rose zwischen die Zähne, das lässt alles unernster aussehen.

Später, als die Kubaner schon weitergezogen sind, kommt der Chef mit einer Flasche Prosecco und David Hasselhoff singt "September Love" aus dem Lautsprecher heraus. Ich werde proseccogeduscht ("Herr Magister! Herr Magister!"), meine Lederjacke klebt, Leute stieren verständnislos, ich grinse und merke zufrieden, dass ich für solche Sachen doch noch nicht zu alt bin. Bekloppt aussehende Schüler schauen erschreckt, heute sind mir sogar die egal. Sonst fragen wir uns immer, ob wir wohl auch so waren, um uns dann selbst zu versichern, dass nein. Heute abend weiß ich aber, dass wir ebenso bekloppt waren.

Irgendwann landet man dann immer im Insider und dort ist heute erwartungsgemäß die Hölle los. Wir stehen am Eingang, halb auf der Straße - immerhin haben wir einen Tisch. Der Italiener, der aussieht wie Tom Cruise, ist auch wieder da. "Enice to see eyou agaaaiin", sagt er und ich freue mich ebenso ihn zu sehen, auch wenn ich anfangs immer Angst habe, dass er mir eine Scientology-Mitgliedschaft andrehen möchte. Jedes Mal sage ich ihm, dass er wie Tom Cruise aussieht. "Ehnooo nooo, Tom Cruise ise much smaller, no?", sagt er dann immer und lacht das reinste Tom-Cruise-Lachen.

Die Mutter eines Freundes fragt mich nach meinen Sommerplänen. Ich sage ihr, dass ich in den USA sein werde und sie sagt, ich solle mir da drüben ein Mädchen suchen – zum Heiraten. Dabei schaut sie begeistert und erzählt mir, dass die da drüben so fesch sind. Ich solle mir aber keine Dicke suchen, sagt sie. Die Schlanken seien eh alle fesch bzw. fesch gemacht. "Eine Seidige brauchst du! Ein richtig seidiges Mädchen!" Mein Freund und ich sind total begeistert von den Ausführungen seiner Mutter. Seidig! Ja, so soll sie sein! Wir wissen, was wir uns darunter vorzustellen haben.

Auf der Toilette fragt uns einer der trotteligen Schüler, ob wir Salzburger seien. Ich sage, aus Graz kommend, im Reflex ja. "Aso deswegen", sagt er frech. Da stutze ich und erkenne meinen Irrtum. "Du meinst aus der Stadt? Nein! Wir sind Zeller", kläre ich ihn wahrheitsgemäß auf. Der Schüler schaut mich mit seinen viel zu eng beieinander stehenden Augen, die Rückschlüsse auf die mangelnde Variation in seinem Genpool durchaus zulassen, an und meint, wir seien aber so angezogen wie Stadtsalzburger (er meint wohl das Hemd). Ich mustere seinen fragwürdigen Aufzug von oben bis unten, sage nur "aha" und gehe. Immer das Gleiche...

Jeden Sommer gehen die Zeller aufs Mittwochsfest und jeden Mittwoch bereuen sie es immer auch ein bisschen, obwohl es ja alles in allem sehr nett ist. Das Fest bleibt gleich, die Leut bleiben gleich, ändern tut sich im Grunde nur das Wetter und selbst das kann nur entweder schlecht oder gut sein. Solange es gut ist, so sagt man im Pinzgau, muss man es ausnutzen. Deswegen stellt man sich dann auch jeden Mittwoch Abend in die Stadt, beäugt die teils recht zweifelhaften Zeitgenossen, trinkt was, unterhält sich mit Freunden, genießt das Wetter und ist sich einig, dass das Mittwochsfestl schon irgendwie ein Highlight ist. Auch wenn es eigentlich schon reicht, einmal dort gewesen zu sein. Oder zweimal – einmal beim ersten Fest und einmal beim letzten.


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