Mittwoch, 27. Juli 2011

Das Australien-Erlebnis

In einem dieser Einkaufszentren, die meist an großen Kreuzungen zu finden sind und unverschämt viel an amerikanischen Boden einnehmen, werde ich in einen Laden einer mir bisher unbekannten Kette gedrängt und zum Umschauen genötigt. Als Shoppingmuffel überlege ich mir einen pragmatischen Grund für diesen Aufenthalt und rede mir ein, ich hätte ohnehin eine kurze Hose und ein T-Shirt nötig, vor allem eingedenk meines bevorstehenden Strandurlaubs. Lustlos studiere ich Farben und Aufdrucke der verschiedensten T-Shirts. Viele dieser Exemplare sprechen mich optisch überhaupt nicht an, andere ein bisschen, nie aber, so glaube ich, könnte ich mich in eines dieser sehr amerikanischen Shirts verlieben und es so tragen, als wäre es mir das Natürlichste der Welt. Ich mahne mich, ein wenig offener zu sein und schon gewöhnt sich mein Auge an die Farben und Muster, wie sie sich sonst nur an das Dunkel gewöhnen.



Die überaus freundliche aber etwas einfältig wirkende Verkäuferin begrüßt mich fast überschwänglich. Meine Tante, die mich hierher gebracht hat, sagt ihr unnötigerweise, dass ich noch nie in einem dieser Läden war. Ich finde, dass man das meinem verunsicherten Gesichtsausdruck entnehmen kann. Die Verkäuferin schließt aus dieser Auskunft, dass ich wohl aus dem Ausland sein müsse und fragt mich, woher ich denn sei. Irgendetwas kitzelt mich im hinteren Teil meines Kopfes, ich weiß, dass da jetzt was kommt. Ich sage ihr, dass ich aus Österreich bin und ihr Gesicht fängt an zu leuchten. Ich weiß, dass es jetzt kommt, es muss jetzt kommen, zu lange habe ich auf diesen einen Moment gewartet! Es ist der Moment, von dem jeder Österreicher träumt und vor dem man sich zugleich graut. Jetzt also ist dieser Augenblick für mich da. "Oh", sagt die Verkäuferin, "springen da auch Kängurus in deinem Garten herum?" Das Kitzeln in meinem Kopf hört abrupt auf, ein Gefühl der Erleichterung macht sich breit. Nach innen vergnügt, nach außen aber so arrogant wie möglich erkläre ich ihr den Unterschied zwischen Österreich und Australien, sage ihr, dass in Österreich höchstens Ziegen in Gärten herumhüpfen und ärgere mich ein bisschen über das naive Bild, das dieses Mädchen von Australien hat. Einer ihrer Kollegen, der das Gespräch gehört hat, lacht. Die Verkäuferin läuft wenigstens rot an, entschuldigt sich, was ich aber auch für überflüssig halte, und verschwindet im hinteren Teil des Ladens.



Ich begutachte weiter die T-Shirts und Jeans. Nach einigen Minuten kommt die Verkäuferin wieder zurück. Es scheint, als hätte sie irgendwo hinten im Lager hyperventiliert und starte jetzt einen neuen Versuch zu einem konstruktiven Verkaufsgespräch. Nervös stellt sie sich vor, ihr Name sei Hollie und irgendwie passt der auch zu ihr, wie ich mir denke. Sie zeigt mir verschiedene Jeansmodelle, ignoriert aber konsequent meine Bemerkung, dass ich weiße Nähte nicht akzeptieren kann. Ich schüttle ohne Unterlass den Kopf, erkläre ihr noch einmal, dass es nicht die Waschung ist, die mich stört, sondern die verdammten weißen Nähte. Schließlich versuche ich es ihr einfach zu machen und bitte sie, mir die Shorts zu zeigen, denn das sei eigentlich das, was ich brauche.



Sie zeigt mir wo die Shorts hängen und macht sich wieder aus dem Staub - wahrscheinlich um zu hyperventilieren. Ich suche mir ein für meine Begriffe mittelmäßig gewagtes Modell aus, da kommt Hollie schon mit einem orangen T-Shirt angerannt. Das passe da sehr gut dazu, meint sie. Das Shirt ist Tennessee-Orange, das heißt, es hat die Farbe des College-Football Teams der Tennessee Volunteers. Ich finde die Farbe schön, der Aufdruck aber widert mich an. Es handelt sich um einen graffitiähnlichen Schriftzug in blau und grün. Was da drauf stünde, frage ich Hollie. Sie wisse es nicht, sagt sie, aber da hilft ihr schon der informierte Kollege aus und sagt, es handle sich um den Markennamen: Ruca.
Ich mache aha und wandle zurück zu den anderen T-Shirts, wo ich eines in dem gleichen Orange sehe, das einen viel ansprechenderen Schriftzug trägt, der ebenso darüber informiert, dass es sich um ein Ruca-Shirt handelt. Hollie muss feststellen, dass ich mich nicht wirklich für irgendetwas entscheide, das sie mir präsentiert und wirkt ein bisschen enttäuscht. Also versuche ich ihr irgendwie einzureden, dass ich ohne ihre Hilfe die Hose gar nicht gefunden hätte und dass auch die Farbe des T-Shirts, die mir außerordentlich gefalle, ihre großartige Idee war. Da strahlt sie wieder und ich bin beruhigt.



Beim Bezahlen betet sie noch die obligatorischen Vergünstigungskonditionen herunter, drückt mir vier verschiedene Bonuskarten in die Hand. Dafür zeige ich ihr meinen Pass ("Oh, ich habe noch nie einen Pass gesehen!") und meinen österreichischen Führerschein - den alten, rosa Lappen -, was sie großartig findet. "Und dass du mir ja nie wieder Österreich mit Australien verwechselst, ja?", sage ich ihr großväterlich. Dann gebe ich ihr noch den Merksatz auf den Weg, den man in gut sortierten österreichischen Souvenirläden auf gelbe Verkehrshinweisschilder zusammen mit der symbolhaften Darstellung eines Kängurus gedruckt findet, und demzufolge es diese Tiere in Österreich nicht gebe. Da lacht sie wieder, wird rot und wünscht sich in das Lager um dort zu hyperventilieren.



Ich gehe mit meiner neuen Hose und meinem tennesseeorangen T-Shirt aus dem Laden und freue mich, dass ich mein erstes Australien-Erlebnis hinter mich gebracht habe. Hoffentlich folgen da noch einige!

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