Dienstag, 28. Juni 2011

Skizzen zu Wimbledon

Es regnet in Strömen - schwerer, prasselnder, englischer Regen. Da man aus den Regenpausen des allzu langen Herren-Finales von 2008 zwischen Roger Federer und Rafael Nadal gelernt hat, ist der Centre Court mittlerweile überdacht. Drinnen stehen sich an diesem Nachmittag Sabine Lisicki und Marion Bartoli gegenüber. Die Atmosphäre ist eigenartig: Man hört ein konstantes dumpfes Rauschen, das in regelmäßigen Abständen von anständigem britischen Applaus, erstaunten Uuuhs und Ooohs sowie gelgentlichem Lachen unterbrochen wird. Die Schläge der Spielerinnen hört man nur selten. Aufschläge und Smashes sind zu hören, aber schon die durchaus kraftvollen Drives von der Grundlinie gehen im Lärm unter, den der auf das Dach fallende Regen verursacht. Für die Spielerinnen ist das nicht einfach, vor allem, wenn es draußen donnert.

Sabine Lisicki hat für eine Frau ein ungewöhnlich schnelles Service. Bartoli ist anfangs von Lisickis Kraft überrascht. Lisicki schlägt auf, kurz darauf donnert es. Lisicki muss lachen. Das Publikum muss lachen. Bartoli lacht nicht. Bartoli hoppst nur herum; so konzentriert sie sich, so erhält sie ihren Flow aufrecht. Für Zuschauer wirkt das lächerlich und es nervt sogar ein bisschen.
Der Regen wird noch stärker. Mittlerweile kann man den Applaus der Zuschauer vom Regenrauschen nicht mehr unterscheiden. Man hat das Gefühl, der Applaus ist nicht enden wollend. Lisicki gewinnt den ersten Satz mit einer wunderbaren Inside-Out-Rückhand. Bartoli hoppst enttäuscht zur Bank und der Regen schwillt an. Nein, es ist doch das Klatschen, das anschwillt.

Vor dem Centre-Court-Stadion befindet sich der Henman Hill, jene Anhöhe, auf der sich jeden Tag hunderte Fans sammeln, die keine Tickets für die Stadien haben und auf einer großen Leinwand das Spielgeschehen verfolgen. Letztes Jahr hat man den Henman Hill kurzerhand in Murray Mountain umbenannt - natürlich nicht offiziell. Die Engländer dachten, das nähme etwas von dem Druck, der auf der britischen Nummer 1 Andy Murray lastet. Er soll jedes Jahr aufs neue Wimbledon gewinnen und damit der erste Brite seit 1936 sein, als Fred Perry als letzter sein Heimturnier gewann. Heuer hat noch niemand vom Murray Mountain gesprochen, obwohl es - wie jedes Jahr vor dem Viertelfinale - gut für Murray aussieht.
Jedenfalls sitzen auf dem Henman Hill an diesem Nachmittag im strömenden Regen einige Dutzend Fans in Regencapes. Das ist insofern bemerkenswert, als dass für den heutigen Tag keine Herren-Einzel angesetzt sind. Als sie sich selbst auf der Großbildleinwand sehen, schreien und klatschen sie. Auch die Zuschauer drinnen applaudieren, als ihnen die im Regen sitzenden Tennisfans gezeigt werden.

Das Gras am Henman Hill ist noch etwas grüner als jenes, das den Centre Court ziert. Nach der ersten Woche wurden vor allem die Stellen an und hinter der Grundlinie schon sehr in Mitleidenschaft gezogen. Dieses sandige Grau des beanspruchten Torfs, die Weiße Kreide der Linien, das noch satte Grün in den Aufschlagfeldern (am Centre Court wurde offensichtlich noch kein Doppel gespielt), die sonnengelben Bälle, das Himmelblau auf den Hemden der Linienrichter, das Grün und Lila des Wimbledon-Logos, welches auf den Spielfeldbegrenzungen prangt... Das ergibt eine in der Tenniswelt geradezu royale Farbpalette, die jeden noch so abgebrühten Profi demütig das Haupt senken lässt, wenn er den Rasen des Centre Courts betritt. Sogar Andy Murray, als er gestern auf das Spielfeld kam und sich vor der Royal Box verneigte, in der William und Kate saßen. Murray sagte anschließend, dass er, hätte er gewusst, dass die beiden anwesend sein würden, sich noch rasiert hätte. Ich glaube, dass Murray sich nicht für viele Leute extra rasiert...

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