Freitag, 17. Juni 2011

Landmarken: Das Metnitztal I

Wir können, von der Murtalschnellstraße kommend, entweder über Murau oder über Friesach nach Metnitz fahren. Was sich zuerst anhört wie eine Entscheidung zwischen Skylla und Charybdis, entpuppt sich letztlich als Frage des Geschmacks. Da wir aber, wie wir hören, auf die eine Seite des Metnitztals müssen (Richtung Flattnitz nämlich), sei es gescheiter, über Murau zu kommen, wohingegen es, wenn man wieder aus Metnitz rausfährt, besser sei, den Weg über Friesach zu wählen – das sollten wir aber dann erst am nächsten Tag herausfinden.

Wir kommen also über Murau nach Metnitz bzw. dorthin, was alles als Metnitz gilt. Die Straße von Murau nach Metnitz ist lang und schmal, sie schlängelt sich über Anhöhen durch Wälder, von denen wir noch genug sehen sollten. Interessant ist, dass bis zur Grenze zwischen Steiermark und Kärnten die Straße recht schlecht ist, sobald man aber in das gelobte Land eingefahren ist, sie den Eindruck macht, als wäre sie erst vor wenigen Wochen asphaltiert worden. Hat dies mit dem vielen Geld zu tun, das die Kärntner haben? Oder hat es damit zu tun, dass die Metnitzer lieber nach Murau fahren als die Murauer nach Metnitz? Dass die Metnitzer also alles daran setzen, den Weg nach Murau möglichst schön und angenehm zu halten, wohingegen die Murauer froh sind, wenn sie nicht nach Metnitz müssen, und deswegen auch die Straße dorthin ein wenig vernachlässigen? Ich sollte später erfahren, dass die Kärntner Seite nur momentan die bessere sei, dass die zwei Gemeinden alle paar Jahre die Straße sanieren, und daher einmal der steirische, und ein dann wieder der kärntnerische Abschnitt neuer sei. Ich solle einmal im Winter die Strecke fahren, da sehe man, dass die Steirer ihren Abschnitt viel besser vom Schnee befreien, als es die Kärntner auf ihrer Seite tun.

Zuerst müssen wir aber zum Oberhofer Sportplatz. Den finden wir, so lautet jedenfalls die Anweisung, indem wir, an der Hauptstraße angekommen, in Richtung Flattnitz fahren – der Sportplatz komme dann irgendwann einmal auf der linken Seite. Seitdem wir aber von Murau weggefahren sind, schaut es gar nicht so aus, als käme irgendwann noch einmal irgendwas – von einem Sportplatz ganz zu schweigen! Jedenfalls finden wir die Hauptstraße und tatsächlich macht uns ein Schild auf jene Richtung aufmerksam, in welcher die Flattnitz liegt. Also biegen wir rechts ab und fahren. Wir fahren auf und ab, immer weiter in den Wald hinein, dann wieder aus dem Wald heraus, irgendwann sogar an einem Haus vorbei. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass da irgendwann noch einmal ein Sportplatz daherkommt“, murmle ich vor mich hin. Ob wir falsch sind? Andererseits können wir uns auch nicht vorstellen, dass, hätten wir irgendeine andere Richtung eingeschlagen, dort irgendwo ein Sportplatz aufgetaucht wäre. Seit gut 25 Minuten fahren wir nur zwischen Wäldern umher – ein Sportplatz scheint uns hier so undenkbar wie eine Würstelbude in der Sahara.

Dann aber, nach einer Linkskurve, erspähe ich plötzlich ein altes, graues Gebäude und davor, direkt an der Straße, das dunkle Grün eines vollgeregneten Fußballrasens. „Das muss es sein“, sage ich und werde langsamer. Mein Beifahrer meldet Zweifel an. Das könne es nicht sein, das sei doch kein Sportplatz. Ich entgegene, dass ich nicht glaube, dass wir noch etwas Sportplatzigeres finden würden als eben diesen kleinen Fußballplatz vor der Bruchbude, die sich als ehemalige Volksschule zu erkennen gibt. Oberhalb des Platzes, fast hinter der Schule, stehen ein paar Gestalten und irgendwo raucht es. Ich bin mir sicher, dass wir richtig sind, und tatsächlich haben auch schon unsere Gastgeber von uns Notiz genommen. Ich parke das Auto vor der Schule und wir steigen aus.

Es ist eisig. Dass sich Wälder im Sommer als kühle Zufluchtsorte für Hitzegeplagte eignen, hat im Metnitztal den Effekt, dass es hier vor lauter Wald gar nie warm wird. Zugegeben, es hat einen Temperatursturz gegeben und es ist bewölkt und feucht. Trotzdem ist es Mitte Juni und man fühlt sich vom Wetter ein wenig betrogen. Auch die Einheimischen meinen, dass es recht kalt sei. Ob es denn im Sommer nie richtig heiß werde, frage ich, halb im Spaß. Nein, so richtig heiß werde es eigentlich nie, sagt man mir. Ob auch das ein Scherz ist, kann ich den kärntnerischen Gesichtern nicht entnehmen, denn diese sind immer froh, und freundliche Gesichter sind schwer zu durchschauen. Wir stehen jedenfalls ein wenig bibbernd im Schlamm neben der Schule, etwas oberhalb des Fußballfeldes. Es hat geregnet und es ist wie gesagt ziemlich kalt, was aber die gute Laune der Kärntner ganz und gar nicht trübt.

Es hat am Nachmittag nämlich ein Fußballturnier stattgefunden. Oberhof I hat gegen Oberhof II gespielt. Ich glaube, auch eine dritte Mannschaft war dabei. Daraus muss sich dann der Turniercharakter ergeben haben. Wer gewonnen hat, weiß ich auch nicht, aber im Hintergrund singen ein paar Leute irgendein Jubellied. Seit dem Ende des Turniers wird gefeiert. Man hat neben der Schule ein Standl stehen, an dem Bier ausgeschenkt wird. Noch etwas weiter oben stehen ein paar Bierbänke und eine alte Tonne, aus der es herausraucht. Man hat sie mit Brennholz gefüllt und es steht eine Gruppe Männer um sie herum - sie wärmen sich. Das Bild erinnert mich an Obdachlose in einer amerikanischen Großstadt, es fehlen ihnen eigentlich nur die Fellmützen und die fingerlosen Handschuhe. Natürlich fehlt dem Bild auch die Großstadt. Stattdessen Wald, Wald, Wald, Fußballplatz, Werkstätte auf der anderen Straßenseite, alte Volksschule und wieder Wald. Forstwirtschaft sei wichtig in Metnitz, sagt mir jemand. Ich glaube es ihm.

Die Anwesenden sind alle ziemlich betrunken. Ein paar Mädels rutschen über den vollkommen verschlammten Abhang. Sie kichern und ziehen sich gegenseitig immer wieder in den Dreck. Der Rest steht herum und trinkt Bier; irgendwann gibt jemand eine Runde Jägermeister aus. Auch wir trinken Bier. Metnitz ist nämlich biertechnisch gesegnet, sagt man. Die Hirter- und die Murauerbrauerei liegen beide gleich in der Nähe. Egal was auch passiert, den Metnitzern geht das Bier so schnell nicht aus, da können die Sommer kalt sein, wie sie wollen. Uns wärmt das Bier nur wenig, trotzdem müssen wir noch ein zweites trinken, bevor wir uns zum Haus unserer Gastgeber begeben. Wo sie denn genau wohnen würden, frage ich den einen. „Do hinten oben im Wold“, sagt er mir. „Aso!“, sage ich und schaue in den Wald, während ich mir denke, dass diese Ortsangabe ja praktisch auf jedes Haus im Metnitztal zutreffen müsste.

Fortsetzung folgt...

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