Montag, 2. Mai 2011

Die ironische Einrichtung der Welt

Im Stadtpark riecht es jetzt immer so, wie man sich den Geruch von Körperpuder für ältere Damen vorstellt. Es ist kein richtiger Frühlingsgeruch, eher ein penetranter Blütengestank, dem das Muffige der schlechten Grazer Luft eine morbide Note verleiht, wie sie sonst nur Gerüchen in Museen oder eben Häusern älterer Menschen zu eigen ist. Man denkt sich dann, wenn man im Park herum geht, dass es komisch ist, wie das Erwachen der Natur, wolle man diesem bizarren Schauspiel umherfliegenden, bunten Drecks eine derart poetische Beschreibung zukommen lassen, wie also dieses Naturschauspiel derartig nach Verderben stinken kann. Ironisch, möchte man meinen, hat Gott die Welt eingerichtet.

Ironisch auch, denkt man sich dann, wie die Amerikaner einen Präsidenten beschimpfen und mit Hitler vergleichen, wenn er eine Reform des Gesundheitswesens machen möchte, und wie sie ihn dann santo-subito-mäßig zum Helden erklären, wenn er den Befehl gibt, Bin Laden (oder bin Ladin, wie die FAZ wichtigtuerisch schreibt) umzubringen. Nicht, dass Osama (oder Usama, wie es in der FAZ und nur in der FAZ heißt) es verdient hätte, von irgendeinem Gericht angehört zu werden. Da bin ich selber ganz Advokat des schnellen Schusses. Mir kommt nur die Art und Weise, wie mit seinem Tod umgegangen wird, etwas seltsam vor. Da wird begratuliert und beklatscht, was man im Grunde gar nicht nüchtern genug zur Kenntnis nehmen kann.

Enttäuschend ist vor allem, dass man ihn nicht in einem Erdloch, wie damals den Saddam, gefunden hat. Wir haben uns alle erwartet, dass Osama irgendwo in einer afghanischen Berghöhle sitzt, wo er bebenden Bartes Hasspredigten gegen den Westen insgesamt, und gegen die USA im Besonderen anstimmt, während seine Kalashnikow-Kumpanen den Höhleneingang bewachen und sich von rohem Fleisch ernähren. Jetzt muss man vernehmen, dass er in einem dreistöckigen Haus gewohnt hat, in einer schönen Stadt in Pakistan. Da frisst den Bild-Zeitung-Leser der Neid und dann tut es gut zu erfahren, dass der fatale Schuss dem Osama anständig das Gesicht entstellt hat.

Seine Asche hat man ins Meer geschmissen, heißt es. Im Falle von bin Laden kann man kaum sagen über den Wellen des Ozeans verstreut, weil das für den finsteren Terrorchef eine zu gnadenvolle Formulierung wäre. Der Gentest wird zweifellos bestätigen, dass es sich um bin Laden gehandelt hat, ein paar Spinner werden weiterhin glauben, dass Osama noch irgendwo unter den Lebenden weilt und zusammen mit Hitler, Saddam Husseins Doppelgänger, Jörg Haider und Lee Harvey Oswald ein Elvis-Konzert besucht. Dann wird es bestimmt noch ein paar Mal krachen, weil Osamas Jünger jetzt natürlich auch nicht nach Hause gehen und wieder ihren erlernten Beruf ausüben. Und in ein paar Jahrzehnten wird sich mancher Amerikaner an Barack Obama zurückerinnern: "Obama? Wasn't he that black fella that got the nobel peace prize for killing the arab, while he ruined our economy?"


Dann aber wird man diesen Gedankengängen entrissen, weil ein herren- und damenloser Hund einem plötzlich das Bein beschnüffelt und den Schuh besabbert. So eine tolle Nase kann der Hund auch wieder nicht haben, denkt man sich, wenn er von dem Blütenstaubgeruch derart unbeeindruckt bleibt und die frisch gewaschene Hose viel interessanter bzw. beriechenswerter findet. Als dann jedoch eine ältere Dame um einen Busch biegt, die ganz und gar so aussieht wie der Stadtpark riecht, wird es einem klar, dass der Hund den Blütenstaub gar nicht mehr wahrnimmt, weil auch für ihn gilt, was dem Volksmund nach für uns Menschen gilt, nämlich, dass man sich irgendwann an alles gewöhnt, und dass etwas frisch Gewaschenes, Neutrales und jugendlich Agiles wie ein Jeansbein bei dem Hund wohl eine ähnliche Verstörung auslösen wird wie der Grazer Stadtparkgeruch bei einem sogenannten jungen Menschen.

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