Mittwoch, 5. Oktober 2011

Bescheidener Beginn eines Semesters


Als angehender Doktorand meint man ja manchmal, arrogant sein zu können. Deswegen ist man ein wenig enttäuscht, wenn man die Studien- und Prüfungsabteilung betritt und sich dort anscheinend alles um die blutigen Anfänger dreht. Um die 11er-Matrikelnummern nämlich. "Erstinskription" steht über fast jedem Schalter. Nirgendwo steht "Nur für Doktoranden" oder "Mag. only". Für's Anstellen ist man sich zu schade, daher verlässt man den Raum wieder und geht lieber einen Kaffee trinken. Da man mit der Inskription noch bis 20. Oktober oder gar länger Zeit hat, beschließt man, erst übermorgen wieder hinzugehen. Dann allerdings früher, und nicht erst um halb elf, wenn die Primetime für studentische Langschläfer, die sich fälschlicherweise als Frühaufsteher begreifen, beginnt.

Über den Campus schreitend - mit Magistertitel schreitet man vermeintlich, vorher schlurfte man - betrachtet man abschätzig das so genannte Studentenpack, vor allem jene Exemplare, welche die Individualität zu Ungunsten der Ästhetik ausleben und also besonders studentisch aussehen (wollen). Dann ärgert man sich über sich selbst und seine falsche und völlig unbegründete, noch wichtiger aber: vollkommen unlegitimierte Arroganz, und fragt sich, was aus einem geworden ist.

Wenig später sitzt man in kurzen Hosen und ohne T-Shirt an einem unaufgeräumten Schreibtisch und isst halb verbrannte Fertigpizza. Dann die große Epiphanie: So kann es nicht weiter gehen, es muss sich etwas ändern, etc. (Kennt man ja aus den vorigen Semestern!)
Man erinnert sich an das halbfertige Bachelorstudium und sucht im Online-Katalog der Lehrveranstaltungen nach dieser Einführungsvorlesung, die man seit neuestem machen muss und die man selbst noch nicht gemacht hat. Die Lehrveranstaltungsinformation macht darauf aufmerksam, dass die mitzubringenden Voraussetzungen "Maturaniveau und gesunder Hausverstand" sind. Man weiß nicht, ob man sich über diese Mitteilung wundert, oder eher darüber, dass eine solche nicht überhaupt in jeder Lehrveranstaltungsbeschreibung zu finden ist. "Schlecht wäre es sicher nicht", denkt man schon wieder mit der Arroganz eines Magisters, der sich obendrein noch zu Schade ist, diesen peinlichen Titel im Namen zu führen.

Man informiert sich noch, was es sonst neues an der Fakultät gibt (man denkt ja jetzt transinstitutionell) und fragt sich, ob man für einen "einmaligen finanziellen Zuschuss für StudentInnen in aktuellen psychosozialen Notlagen" infrage kommen könnte. "Was es heutzutage alles gibt!", sagt man sich altklug, so als hätte man selbst noch die Zeiten erlebt, in denen man in Hörsälen rauchen durfte und es im Winter durch die geschlossenen Fenster schneite. Da das Chaos auf dem Schreibtisch aber nicht Ausdruck einer psychosozialen Notlage ist, sondern noch von den schwierigen Zeiten des ausgehenden Magisterstudiums zeugt, beruhigt man sich bald und sieht ein, dass sowohl die Arroganz des Magisters wie auch die Zukunftsangst des Doktoranden vorerst unbegründet sind.
Dann fällt einem noch der Anfang der DDR-Hymne ein: "Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt..." So sammelt man sich und macht reinen (Schreib)tisch. Möge das Semester beginnen!

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