Dienstag, 17. April 2012

Nicht nur zur Frühstückszeit

Im Frühstücksfernsehen wird eine App beworben, die das TV-Serien-Schauen noch besser machen soll. Wenn am Bildschirm ein Schauspieler auftaucht, werden automatisch alle verfügbaren Informationen über selbigen eingeholt und angezeigt. Aha, das ist ja wunderbar, denke ich mir. Jetzt soll ich auch noch parallel zum Fernsehen über das Fernsehen lesen, damit ich erfahren kann, in welchen unbekannten und völlig bedeutungslosen Filmen der mir ebenfalls unbekannte Serienschauspieler schon mitgespielt hat. Auch, dass mir so eine App im Frühstücksfernsehen vorgestellt wird, ist eigentlich erschreckend. Während ich also schon beim Frühstück gleichzeitig Zeitung lese und fernsehe, wird mir dort erklärt, wie ich am besten gleichzeitig fernsehen und lesen kann. Ich bin verwirrt.

Dann taucht der neue Weltbank-Chef am Bildschirm auf. Ein amerikanischer Mediziner mit einem Namen, der an nordkoreanische Diktatoren erinnert, und der zudem Youtube-Star ist, wird also Chef der Weltbank. „Und das in Zeiten wie diesen!“, könnte ein Wutbürger wüten. Mir ist es egal, der Herr wirkt seriös und sympathisch (eine seltene Kombination, bei Asiaten aber möglich), und außerdem vertraue ich sowieso immer darauf, dass Leute in solchen Positionen nicht wirklich was anstellen können, weil ihnen dauernd von anderen Wichtigtuern auf die Finger geschaut und gehauen wird. Vielleicht irre ich mich aber und der Herr wird eines Tages seinem diktatorischen Namen gerecht. Noch aber hat die Weltbank keine Armee, obwohl sie sich vielleicht eine leisten könnte. Interessiert mich aber auch kein bisschen, die Weltbank. Mich interessiert schon meine eigene Bank sehr wenig.

Dann der Attentäter von Oslo, der selbstgefällig im Gerichtssaal sitzt und so seriös wirken will, wie es eigentlich nur ein Weltbank-Chef sein kann. Der mit kühler, norwegischer Stimme erklärt, dass er alles gesteht und gleichzeitig auf Freispruch plädiert. Dann die weinenden Angehörigen, bei denen ich nicht verstehe, wieso sie sich das überhaupt antun, wenn sie doch vorher schon wissen, was das für ein Theater werden wird. Gestern habe ich gesehen, dass der Attentäter auch weinen kann. Geweint hat er nämlich, als sie im Gerichtssaal sein Propaganda-Video gezeigt haben. Hat er da aus Rührung geweint oder aus Verzweiflung? Interessiert mich eigentlich auch nicht.

Dann die ewig gleichen Vorberichte über große Fußballspiele. Heute wegen des Halbfinalspiels der Championsleague. Man sieht immer bemützte Fußballer beim Traben über das Feld, daneben der Trainer im Mantel. Dann ein paar Highlights aus den vorhergegangenen Spielen, zwischendrin Ausschnitte aus der Pressekonferenz, wo die Fußballer erklären, dass sie natürlich Respekt vor dem Gegner hätten, aber zu viel Respekt solle man auch nicht haben, denn schließlich sei ja im Fußball alles möglich und man werde alles versuchen und konzentriert ans Werk gehen, denn man wolle ja die Fans nicht... etc. Cristiano Ronaldo am Weg vom Mannschaftsbus zum Hotel. Witzigerweise sieht man in der Vorberichterstattung für Championsleaguespiele fast nie Fußballer auf Flughäfen. Das sieht man nur bei Länderspielen, denn da muss unterstrichen werden, dass da in ein anderes Land gefahren wird. Obwohl die Madrilenen auch mit dem Flugzeug nach München gekommen sind – vermute ich zumindest. Keine Fußballer auf Flughäfen. Dafür Fußballer auf dem Weg ins Hotel, vorbei an Fans und Fotografen. Sie werden alle ihr Bestes geben und alles versuchen. Bayern will versuchen, kein Tor zu bekommen. Madrid wird versuchen, ein Tor zu schießen, ein Auswärtstor wäre wichtig. Die Null muss stehen, so Bayern. Wir haben gute Chancen. Training, Pressekonferenz, ein Witz vom Trainer, ein Lachen des Verteidigers... Der Beitrag dauert nun schon fast 5 Minuten, obwohl ja noch gar nicht gespielt wurde. Heute Abend heißt es einschalten!

Jetzt das Wetter. Wetter kommt im Frühstücksfernsehen ungefähr alle 10 Minuten, damit die Leute wissen, was sie sich heute anziehen sollen, und welche Pläne sie schon jetzt fürs Wochenende machen können. Im Norden schön, im Süden regnet es, der Wind kommt von Ost und zeitweise sonnig ist es auch im Westen, gegen Nachmittag einzelne Schauer, die mir den Rücken runterlaufen, wenn ich das Sakko des Wettermanns genau ansehe.

Frühstücksfernsehen macht auch viel mit Social Media. Jedes Frühstücksprogramm hat einen Twitter-Account, dem man folgen kann. Den ganzen Tag, nicht nur zur Frühstückszeit. Oder man kann denen schreiben. Also während des Fernsehens kann man nicht nur lesen, sondern auch schreiben. Verrückte Welt: alles gleichzeitig, aber nichts richtig. 140 Zeichen über das Sakko des Wettermanns schreibe ich denen jetzt.

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