Dienstag, 28. Februar 2012

Schaltjahrsübel

Der Februar ist nicht nur der kürzeste Monat, sondern vielleicht auch der grausigste. Obwohl ich mir selber jedes Jahr unsicher bin, ob der Februar oder der März der grausigere ist. Oder ob, am anderen Ende des Jahres, der fürchterliche November den beiden den Rang abläuft. Aber vermutlich ist immer der Monat, der gerade da ist, den man momentan sozusagen „live“ erlebt, der schlimmste, schönste etc. Warum man allerdings in Schaltjahren ausgerechnet dem unsäglichen Februar einen Tag mehr vergönnt, verstehe ich auch nur aus Gründen der Zahlenharmonie.

Der heurige Februar meinte es nicht gut mit uns. Zuerst bescherte er uns eine unglaubliche Kälte, irgendwann mittendrin glaubte er, dass er uns mit weiterem Schnee noch irgendeine Freude machen könnte und mittlerweile zeigt er sich von seiner gewohnt dreckig-nassen Seite. Dazwischen war Fasching – ein Übel an sich.

Freilich könnte man sich am ersten Vogelgezwitscher erfreuen, an den schon warmen Sonnenstrahlen, dass es jetzt schon spürbar länger hell ist, man also generell das Gefühl hat, dass die kalte Jahreszeit sich dem Ende zuneigt. Aber dann sehe ich die Februarschifahrer vor mir, wie sie sich mühsam und betrunken durch den schlatzigen Schnee schieben, wie sie in ihren Schischuhen auf den dreckigen und verkiesten Gehsteigen herumstolpern und ich höre das Geräusch dazu, das die schweren Schischuhe und die nachgezogenen Stöcke dabei machen! Ein kratziges, geschlurftes Klacken zusammen mit einem hellen, darüber schwebenden, konstanten, mechanisch schleifenden Scheppern; das Ganze in einem Rhythmus, der dem unbegabtesten aller Jazzschlagzeuger nicht passieren könnte. Der Schnee, der diese grauenhaften Geräusche dämpfen könnte, ist schon längst geschmolzen und so werden die Ohren des Passanten, die gerade noch das besagte erste Vogelgezwitscher vernommen haben, vom ungeheuerlichsten akustischen Irrsinn malträtiert, den das ganzjahrige Soundpanorama eines Skiorts für schlechter Verdienende zu bieten hat.

Dazu kommt die ständige Gefahr, der man durch Schispitzen ausgesetzt ist, die einem nach dem Leben trachten. Wie wehrhafte Reptilien, die es zu zähmen gilt, tragen die Skifahrer ihre Schi und Stöcke auf ihren Armen. Nach allen Seiten hin stehen die Kanten und Spitzen weg und die Gehsteige sind nur so breit wie sie sind und im Februar sowieso enger als sonst („Vorsicht Dachlawine!“ Gerne würde ich manchmal ein Komma zwischen die Wörter setzen, um so die Dachlawinen vor den unter ihnen vorbeitorkelnden Schifahrern zu warnen). Ständig muss man sich ducken, den Kopf nach links und rechts hin weg recken, um nicht von diesen Schiern und Stöcken gebissen zu werden. Ja, die Krankenhäuser sind nicht nur voller Gipspatienten, immer öfter müssen dort auch Schürf-, Kratz- und Stichverletzungen behandelt werden. Die Wintersaison fordert ihre Opfer!

Zwar ist uns der See im Februar schön zugefroren, doch darf man nicht vergessen, dass das Im-Eis-Einbrechen das Sinnbild für den Februar schlechthin ist: Der plötzliche Übergang vom lebensweltlichen Genuss in das existenzielle Unwohlsein bezeugt die erschütternde Wirkung, die so ein Februar haben kann. Gerade noch im Winterzauberland, jetzt auf einmal im dreckig-schlatzigen Elendstal. Letztlich ist es die Vergänglichkeit, die uns der Februar vor Augen hält und nicht der Neuanfang, den dann erst der März verspricht. Der Feber (ich bevorzuge die kürzere Variante, damit ich das Wort schneller hinter mich gebracht habe – und überhaupt: Warum so ein langer Name für einen so kurzen Monat?) ist der Tod des Winters und das kann niemanden freuen. Die Winterliebhaber nicht, weil sich hier der Winter von seiner grauslichsten Seite zeigt. Die Sommerliebhaber auch nicht, weil es bis dahin noch ein langer Weg ist. Der österreichische Trost, dass es „jetzt dann schnell geht“, will uns die Zeit des Jetzt vergessen machen und ist für Leute geeignet, die auch nicht schnell genug im Eis einbrechen können.

In Schaltjahren also verlängert sich das Feber-Übel um einen Tag, anstatt dass man lieber einen Tag länger Juni macht und wir so drei lange 31-tägige Sommermonate hintereinander hätten. Oder von mir aus auch einen Tag länger April, das ist doch so ein lustiger Monat mit den Scherzen und dem lustigen Wetter usw. Oder dem Dezember 32 Tage geben, damit man entweder zwei mal Silvester feiern kann (oder drei mal mit Bauernsilvester), oder endlich einmal nüchtern in ein neues Jahr starten kann. Stattdessen ein Februar mit 29 grausamen Tagen! Ein Tag mehr Zeit zum Im-Eis-Einbrechen!

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