Mittwoch, 11. Januar 2012

Rasurkunde

Meinen ersten geschenkten Nassrasierer bekam ich vom Bundesheer, und zwar bei der Musterung. Einerseits freute ich mich über die großzügige Gabe, andererseits war der Rasierer bereits mit einer Warnung verbunden. Sie nahmen einen bereits Monate vor dem Einrücken jegliche Ausrede für ein schlecht rasiertes oder gar unrasiertes Gesicht. Egal, endlich ein Gillette Mach-3, dachte ich mir. Das Vorgänger-Modell, der Sensor-Excel, den ich mir einst zur Flaumrasur zulegte, hatte ausgedient. Immerhin hatte der nur zwei Klingen. „Was?“, werden jetzt viele Jüngere entsetzt fragen, „es gab mal einen Nassrasierer mit nur zwei Klingen?“ Ja, und es gab sogar mal einen mit bloß einer Klinge! Aber an ein solches Gerät kann selbst ich mich nicht mehr wirklich erinnern.

Von Wilkinson habe ich nie etwas gehalten. „So scharf, dass er hinter Gitter muss“, das ist ein Werbespruch, der bei jüngeren Konsumenten außer Furcht gar nichts erzeugt. Schon als Kind dachte ich mir, wer so blöd sein kann und sich mit einem so scharfen Ding im Gesicht herumfahren will - Gitter hin oder her. Später mochte ich dann das Knubbel-Design dieser Wilkinson-Rasierer nicht. Außerdem kamen mir die Gitter kontraproduktiv vor. Wofür scharfe Klingen, wenn ich dann nichts davon habe, weil sie hinter Gittern stecken?

Irgendwann hatte ich dann Gillette auch satt. Alle anderthalb Monate, so schien mir, kam ein neues Modell heraus (M3 Power, M3 Turbo, etc.). Plötzlich sollte man Batterien in einen Nassrasierer einlegen, damit das Ding während der Rasur ein angenehmes Brummen von sich gab. Praktischer Nutzen null, das erkannte selbst der Dümmste. Dreifach-Lamellen, Dreifach-Klingen, Schwingkopf etc. ließen wir uns ja noch einreden. Aber ein brummender Nassrasierer? Das Über-feature trug zur Überfeatureisierung bei und mir wurde das ganze System suspekt.

Das ließ mich irgendwann zu meinem ersten Wilkinson greifen. Ironischerweise handelte es sich dabei ebenso um einen Nassrasierer mit Batterie. Allerdings nutzte der Wilkinson Quattro Titanium (ja, dieses Ding hatte absurderweise bereits vier Klingen!) den Strom zum Antrieb eines kleinen elektrischen Rasierers am Ende des Griffs. Dieser eignete sich zum Stutzen von Kotletten und anderen Bärtchen. Das fand ich zuerst ganz famos, irgendwann stellte sich aber Ernüchterung ein. Erstens enttäuschte die Batterielaufzeit, zweitens kann man sich denken, wie lange so ein elektrischer Rasierer gut funktioniert, wenn dauernd Wasser dran kommt und drittens war ich auch mit den Vierfach-Klingen hinter Gittern nicht einverstanden. In diesem Scherengewirr fanden die Barthaare irgendwann nicht mehr heraus und so kam es, dass eine Klinge schneller durch „Verstopfung“ unbrauchbar wurde als durch Abstumpfung.

Mit den „Rasier-Systemen“ beider großen Marken Gillette und Wilkinson unzufrieden geworden, griff ich dann in Amerika zum ersten Mal zu einem Wegwerfrasierer – auch wieder von Gillette. Diese Dinger bestechen einerseits durch den Preis, andererseits auch durch Handhabung und Feeling. Man hat das ursprüngliche Gefühl, als hobelte man sich damit Haut und Haar vom Gesicht. Nicht umsonst hießen die Vorgänger der heutigen Rasur-Systeme „Rasierhobeln“. Wegwerfrasierer (übrigens ein wunderbares Wort, wie ich finde) sind sehr praktisch und günstig, aber seiner Haut tut man damit keinen Gefallen – besonders, wenn man empfindlich ist. Und das, so sagt man, trifft ja leider auf die meisten heutigen Männer zu.

Hätte mir nicht unser Zimmermädchen vor einem Jahr einen Gillette Fusion Pro Glide geschenkt, ich wäre mittlerweile wohl auf ein Barbiermesser samt Rasierseife umgestiegen (mit Wetzgurt – noch so ein tolles Wort!). Das letzte Modell aus der Gillette-Serie verzichtet Gott sei Dank auf Batterien und gleitet einfach nur gut – ganz wie es der Name verspricht! Auch er hat vier Klingen – das scheint das Maximum dieser Produktsparte zu sein. Vermutlich hat es schon Prototypen mit fünf Klingen gegeben, die aber wegen optischer Lächerlichkeit nie in Serienproduktion gegangen sind. Das Ding benutze ich jetzt gern und bin auch sehr zufrieden damit. Letztlich habe ich in Gillette immer noch das größte Vertrauen, auch wenn ich da ein bisschen Opfer ihrer grandiosen Fernsehwerbungen geworden bin. Früher war ich wie hypnotisiert von ihrem eingängigen Jingle „Gillette – für das Bäähestäää im Mahahann!“, später überzeugte mich die Auswahl ihrer Rasier-Paten: Tiger Woods, Thierry Henry und Roger Federer. Von den dreien ist mittlerweile nur noch der Schweizer Tennisspieler glaubwürdig geblieben, da ersterer nun die Präzision vermissen lässt, die dem Produkt würdig wäre und zweiterer momentan Vollbart trägt. Vielleicht nutzt Henry den Fusion Pro Glide ja für seinen Kopf? Egal, ich weiß eh nicht, ob Henry und Woods immer noch einen Werbevertrag mit Gillette haben und es ist ja auch egal. Immerhin wurde ja jetzt hier auch genügend Werbung für die Firma gemacht. Also: Gillette kaufen oder Barthaare ausreißen! Oder vielleicht doch Messer, Seife und Wetzgurt?



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