Montag, 9. Januar 2012

Der Schneefried

„Pinzgau von Außenwelt abgeschnitten“ hieß es heute, weil kurzfristig alle Verbindungen zum Rest der Welt unterbrochen waren. Eigentlich ein meditativer Zustand, dieses Abgeschnitten-Sein, wenn da nicht die vielen Russen, Ukrainer und Rumänen wären, die auf den Straßen Radau machen, weil sie sogar mit ihren panzerähnlichen Fahrzeugen der Schneemassen nicht Herr werden können. Vom Rest der Welt abgeschnitten, und zwar durch eine Naturgewalt und ihre Auswirkungen, das ist der eigentliche Freiheitsbegriff eines Innergebirglers. Der autochthone Freistaat Pinzgau hat heute für ein paar Stunden gelebt und die klammheimliche Freude darüber zeigte sich auf den Gesichtern der urigsten Ureinwohner ganz deutlich. Dass die Verbindung nach Tirol am schnellsten wiederhergestellt war, wurde hingenommen, denn schließlich ist ja Tirol vom Rest der Welt sowieso abgeschnitten – wenn schon nicht wegen des vielen Schnees, so doch zumindest in den Köpfen der Leute.

„Seids eing'schneit?“ wurden wir dauernd gefragt und stolz haben wir „Jawohl!“ geantwortet. Der Schnee hat schließlich nicht uns gebrochen, sondern nur ein paar schwache Bäume irgendwo zwischen Lend und Taxenbach. Bäume also, die es ohnehin nicht wert waren, unsere Pinzgauer Straßen zu säumen. Und deswegen werden die jetzt konsequenterweise umgesägt und verheizt. Aber erst nächstes Jahr, denn heuer ist es noch nicht kalt genug und so schnell wird uns heuer auch nicht kalt werden! Und wir zersägen sie langsam und gemächlich, denn je länger die Straßen gesperrt sind, desto besser. Weil, so hört man es auf den Straßen, dann wenigstens keine „depperten Deitschn“ mehr reinkommen können.
Aber Vorsicht, gerade diese Deutschen kommen nur allzu gern über Lofer, weil sie sich damit Zeit und Vignette sparen! Kein Problem, so sperren wir eben Lofer auch, dort hat es ohnehin schon zu viel Schnee, da kommt bestimmt bald mal eine Lawine herunter. Die sprengen wir weg – gemütlich und ohne Hast.




Herrliche Abgeschiedenheit, bleib uns noch lange erhalten! – Oder zumindest bis zum Freitag, denn am Samstag ist ja wieder An- und Abreise und dann sind wir wieder froh, wenn die alten Gäste weg sind und wir uns auf die neuen „freuen“ können. Inzwischen bleiben wir in unserer Innergebirgsfestung und schauen grimmig vom Berg ins Tal hinunter und in den Fernseher hinein, wo wir uns selbst sehen und wo die Wiener von einem „Schneechaos“ sprechen, ein Schneechaos, das wir selbst lieber „die höchste Ordnung aller Dinge“ nennen. Der Herrgott hat uns endlich das gegeben, was wir eigentlich schon immer wollten: den Schneefried in Form eines von der Außenwelt (was ist das eigentlich, die Welt da draußen?) abgeschnittenen Pinzgaus. Wir setzen uns Zipfelmützen auf, trinken Jagatee und harren der Dinge.

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