Montag, 2. Januar 2012

Neujahrsvolten


„Saisonpflanzen“ steht auf dem Rechnungsbeleg, den man am Neujahrstag aus der Manteltasche zieht. Jemand kaufte 16 Glücksklees samt Rauchfangkehrer und heute gilt es, diese unter der Verwandtschaft aufzuteilen. Mit breitem Grinsen würde man vor Haustüren stehen, Hände schütteln und ein „gutes Neues“ wünschen. Natürlich auch Gesundheit, Glück, Zufriedenheit, Erfolg. Humor wünscht man niemandem, weil es vielleicht ein wenig zynisch klingt. „Ich wünsche dir viel Humor fürs Neue Jahr!“ - das verspricht Schwierigkeiten und trägt den leisen Vorwurf in sich, der zum neuen Jahr Beglückwünschte habe bisher viel zu wenig davon gezeigt.

Dabei wäre die Fähigkeit, Humor zu zeigen, heutzutage eigentlich viel wichtiger als alles andere. Sätze, die das Wörtchen „heutzutage“ beinhalten, neigen jedoch dazu, irgendwie altbacken zeitkritisch daherzukommen. Jemand, der meint, irgendetwas sei „heutzutage besonders wichtig“ oder „heutzutage nicht mehr möglich“, suhlt sich in Vergangenheitsnostalgie (keineswegs ein Pleonasmus!) und will von dem „heutzutage“ eigentlich gar nichts wissen, weil ohnehin alles schon verkommen ist und „früher alles besser“ war. So, nun wissen wir wieder nicht, ob die, die sagen, dass früher alles besser gewesen wäre, lästiger sind als die, die jene bekritteln, die behaupten, dass früher alles besser gewesen wäre. Die Vergangenheitsnostalgiker sind schlimm genug – aber die hyperprogressiven Vergangenheitsverächter sind am allerschlimmsten. Man sieht schon, wie schwierig es heutzutage (!) ist, überhaupt irgendeine Aussage über irgendwas zu tätigen, ohne sich dabei als Vertreter einer immer schon da gewesenen (und irgendwie langweiligen) Denke lächerlich zu machen. Und das Ausweichen auf die „Metaebene“ (auch ein ungeheures Reizwort) ist und bleibt eine Übung mit circensischen Charakter, trägt nur selten etwas zur Sache bei, sondern dient einzig dazu, die Fähigkeit der Metadenker zu demonstrieren, dass sie Metadenken könnten, wenn sie wollten.

Schon bei solchen Sachen zeigt sich, warum eine Portion Humor nicht schaden würde und warum es sinnvoll wäre, vor allem sich selbst nicht immer ganz ernst zu nehmen. Nicht, weil man dann unbeschwerter und freier durchs Leben ginge. Sondern einzig und allein deswegen, weil der Selbsternst nichts bringt. Denn man muss im Grunde davon ausgehen, dass einen die anderen Menschen überhaupt nicht ernst nehmen („Anders ließe sich der Zustand unserer Gesellschaft ja gar nicht erklären!“, würde da der pessimistische Sozialkritiker polemisch hinzufügen). Wenn man sich dann selbst überaus ernst nimmt, aber von niemandem wirklich ernst genommen wird, führt das zu einer Form von mildem Alltagsautismus, mit dem man wahrscheinlich nicht glücklich werden wird – und auch andere nicht glücklich macht.

Also spare man sich das Wünschen von Glück und Zufriedenheit für das neue Jahr und wünsche stattdessen viel Humor. Auch wenn es zynisch klingt. Denn schließlich muss man beim Nicht-so-ernst-Nehmen konsequenterweise auch schon bei den Neujahrswünschen beginnen. Man übergebe also die Saisonpflanze mit einem breiten Grinsen und wünsche einfach viel Humor für 2012. Auch auf die Gefahr hin, dass man dann für exzentrisch (oder verrückt) gehalten wird, ist das noch der ehrlichste, realisierenswerteste und sozial verträglichste Wunsch, den man überbringen kann. Für einen Zyniker wird man höchstens noch von jenen gehalten, die auch an den diesjährigen Weltuntergang glauben. Das sind die, die vergessen, dass für die Maya die Welt schon lange untergegangen ist. Hat ja auch was Gutes, denn von den Mayas sagt nun keiner mehr einen Satz mit „heutzutage“.

1 Kommentar:

  1. Heutzutage....verwendet auch niemand so häufig das Wort "Pleonasmus" wie der liebe Rhetorikkünstler Herr Daxer! Happy New Year - freu mich auf viele weitere erheiternde, mich vom Schreiben und Lernen abhaltende Blogs im Jahr 2012!

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