Montag, 5. Dezember 2011

Vonn won

Wie halte ich das als Gebührenzahler aus? Nicht, dass ich jetzt der gefühlte millionste Kritiker des ORF-Sportprogramms sein muss oder gar will. Aber wenn man schon nicht darauf verzichten kann, nun auch Damenskispringen zusätzlich zum ohnehin unnötigen Herrenskispringen zu zeigen, und man auf ORF1 etwas anderes als Ski alpin, Formel 1 und langweiligen Bundesligafußballpartien eh nichts mehr zu sehen bekommt (dass sogar Wetten dass...? auf ORF2 verlegt wurde, ist ein Fanal!), dann müssen nicht auch noch die Kommentatoren durch Exklusivblödheit auffallen. Ich tu jetzt mal so, als würde ich viel und gerne fernsehen und mich das ernsthaft stören würde:

Ich verlange gar nicht, dass die alle Englisch können sollen. Fremdsprachenkenntnisse a la Pariasek sind ja ohnehin mehr drollig als peinlich. Aber wenn dann dauernd Lindsey Vonn, das US-Schatzerl unserer Nation (weil sie drüben leider keinen interessiert und weil sie unseren Damen meist davonfährt), zur "Lindsey Won" gemacht wird, frag ich mich schon, was da dahinter steckt. Will man so tun, als könnte man Englisch? Oder will man aus der Vonn eine amerikanische Asiatin machen? Wahrscheinlich soll wohl nur das Endresultat vorweg genommen werden und mit dem (paradoxen) Kommentar über das Auftauchen Vonns im Starthaus "Aber jetzt Lindsey Won" darauf aufmerksam machen, dass Lindsey schon gewonnen haben wird, sobald sie die Ziellinie überfährt.

Dabei machen es sich die Kommentatoren unnötig schwer. Das englische "w", das (hihi!) "Dabbel-Juh", gibt es im deutschen Lautbestand eh nicht. Gut also, dass das Englische "v" immer (immer!) genau so ausgesprochen wird wie unser deutsches "w". Also mit Zähnen auf den Unterlippen. Das bilabiale englische Dabbel-Juh hingegen schaut zuerst so aus, als wolle man jemandem ein Bussi geben, wonach sich die Lippen zu einem Ausdruck des Erstaunens öffnen; am besten zu beobachten in der amerikanischen Variante des "Wow!". Womöglich ist es das, was unsere Kommentatoren dazu verleitet, Laute zu produzieren, die sie gar nicht kennen sollten: Das Verlangen, der Lindsey ein Bussi mit auf den Weg zu geben, gepaart mit einem staunenden offenen Mund ob ihrer Bestzeit.

Ich will mich nicht über Leute aufregen, die irgendwas nicht richtig aussprechen können. Das ist kleinlich und gemein. Außerdem hat es schon auch Charme, wenn einer das nicht richtig kann; und was im Englischen noch relativ einfach ginge, wird bei slawischen oder gar arabischen Lautbeständen zu einer für den Laien schier unlösbaren Aufgabe. Was mich aber schon ein bisschen aufregt: Wenn man so tut, als spräche man etwas richtiger als andere aus und man es im selben Moment komplett falsch macht. In der Linguistik kann man so etwas Hyperkorrektur nennen. Das bedeutet im Grunde genommen, dass man sich so sehr bemüht, etwas richtig auszusprechen, dass es dann in vielen Fällen falsch wird: wie etwa, bei der Aussprache des Namens "Vonn" amerikanisch klingen zu wollen. Das erreicht man eher, indem man die Aussprache des "o" in Richtung "a" verschiebt. Mit dem "V" als Dabbel-Juh ist man jedoch auf dem ganz falschen Dampfer.

Vom debilen Gekichere manch anderer ORF-Kommentatoren und Co-Kommentatoren muss ich jetzt schweigen, denn darüber kann man nicht reden, sondern nur verständnislos den Kopf schütteln. Mir fiele auch noch ein gewisser Tennis-Kommentator ein, der ganz ohne Humor darauf hinweist, dass es "jetzt interessant ist, dass der Federer schon zum dritten Mal den Schläger gewechselt hat". Bald fällt einem Fußball-Kommentator vielleicht die besondere Trageweise der Stutzen eines Spielers auf, oder dass der Tormann sich öfter mal in die Hände spuckt. Mir hingegen fällt das ungeheure Talent der meisten ORF-Sportkommentatoren auf, am Geschehen, also am Sport, komplett vorbeizukommentieren. Angesichts der Begrenztheit des Gezeigten (damit meine ich das in Fernsehbilder übertragene Sportgeschehen, und zwar das und nur das!) ist das selbst schon eine fast sportliche Leistung.

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