Montag, 21. November 2011

Der Schöpfer

Jemand schuf ziemlich am Anfang Himmel, Erde und alles, was es sonst noch so zu bestaunen gibt. Diesen jemand nennen wir den/die SchöpferIn. Nennen wir ihn doch einfachheitshalber den Schöpfer und denken uns die Schöpferin mit. Weil ohne das Wort „Schöpfer“ funktioniert dieser Text nicht so richtig.

Was mich zunächst ein wenig verwirrt, ist, dass der Schöpfer gar nicht schöpft, sondern vielmehr schafft. Es heißt ja, dass er „schuf“, und nicht, dass er „schöpfte“. Trotzdem sprechen wir von einem Schöpfer und nicht von einem Schaffer. Vielleicht, um nicht unabsichtlich von einem „Schaffner“ sprechen zu müssen; vielleicht aber auch deswegen, weil, wer viel schafft, irgendwann erschöpft ist und am siebenten Tage ruhen muss. Der Schöpfer ist demnach der Erschöpfte und viel weniger der Erschaffene, denn dann hätte er sich ja selbst erschaffen und eine solche Vorstellung bringt uns ganz schnell in die größten ontologischen Schwierigkeiten. Ja hat denn den Schöpfer wer erschaffen? Das sind Fragen, die man nicht fragen darf. So wie die Physiker das nicht mögen, wenn man fragt, was vor dem Urknall war. Dann sagen sie entweder „nichts“ oder „alles“ oder „etwas“, aber erklären können und wollen sie es einem nicht. Und könnten sie es, so würde man es eh gar nicht wissen wollen.

„Hol mir doch mal den Schöpfer aus der Lade“ ist ein Satz, den man in einer Küche zu hören bekommt. Der Schöpfer also ruht seit seinem Schaffen erschöpft in einer Schublade und wartet darauf, herausgeholt zu werden – und zwar zum Zwecke des Schöpfens und nicht des Schaffens. Denn mit dem Schöpfer in der Küche schöpft man Essen aus Pfannen auf Teller. Zum Beispiel Schupfnudeln. Da wird der Schöpfer zum Haushaltsgehilfen, zum einfachen, aber praktischen Küchenwerkzeug. Soviel also zur Frage, was der Schöpfer nach der Schöpfung gemacht hat. Er ruhte sich in einer Küchenlade aus.

Aber auch wir werden manchmal zu wahren Schöpfern und Schöpferinnen. Entweder, wenn wir fleißig sind und viel arbeiten und uns noch dazu in gewissen Regionen Österreichs befinden. Dann wird nämlich von uns behauptet werden, dass wir „urdentlich schepfn“. In Deutschland heißt das in gewissen Regionen „malochen“. Wir kennen, dem Schöpfer sei Dank, auch noch das Wort „hackeln“, weswegen es bei uns zur Hacklerregelung kam und nicht zur „Schepferregelung“. Dieses Wort ist allein deswegen schon hässlich, weil man es so lesen kann, dass „Schepf-erreglung“ daraus entsteht. Und „erregelung“ klingt furchtbar; das „Schepf“ davor, macht es nicht besser. Dann lieber Hackl.

„Schnee schepfn“ als österreichisches Pendant zum piefkenesischen „Schnee schippen“ (was wissen die schon davon?) begegnet uns in der Winterzeit sehr häufig. Witzigerweise klingt, transkribiert man die dialektale Wendung ins Hochdeutsche, die damit beschriebene Tätigkeit höchst unglaubwürdig. Vgl. die Wendungen „ich schöpfe Schnee“ oder „sie schöpft Schnee“. Denn auch die „Schneeschöpfung“ ist ein Vorgang, der schon lange vor unserer Zeit vom Schöpfer erledigt wurde und um die wir uns keine Sorgen mehr machen müssen. Trotzdem sind wir vom vielen Schöpfen des Schnees bald erschöpft bzw. vollkommen geschafft.

Der Schaffende schöpft, der Schöpfer schafft. Oder auch: Der Schaffner schafft, die Schnepfe schöpft; doch was schuf eigentlich der Schuft? Irgendwie werden wir aus diesem ganzen Wortwirrwarr nicht schlau. Wer sich allerdings mit dem Gedanken des Schöpfers in der Küchenlade so gar nicht anfreunden mag, dem sei angeraten, zum Schöpfer in Zukunft „Kelle“ zu sagen. Und mit der kann er oder sie dann sogleich Schnee schippen gehen. Nach Hamburg, auf die Autobahn. Mit Kalle.

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