Donnerstag, 7. März 2013

Eine Preisgabe


Der Mann vor mir an der Kassa hat eine zu große Jeanshose an. Seine Daunenjacke erscheint angesichts der frühlingshaften Temperaturen übertrieben. Dafür wirken seine Glatze und sein ernster Blick umso überzeugender. Das ist einer, der Ernst macht. Einer, der in der Freizeit öfters mal auf den Tisch haut oder regelmäßig jemandem die Meinung geigt. Hart sieht er aus, aber fast wirkt es ein wenig gespielt: Schließlich steht er an einer Supermarktkassa und nicht etwa vor einem Nachtklub in Hamburg. Da stimmt etwas nicht. "Was kauft so einer?", denke ich mir. Der Blick auf das Förderband an der Kasse verrät es mir: eine Familienpackung Klopapier.

Der Mann versucht also, dem Kauf von Klopapier etwas Würdevolles oder gar Lässiges zu verleihen, indem er möglichst grimmig dreinschaut. Betont cool steht er recht weit vom Förderband entfernt und schaut, während der Kunde vor ihm noch bezahlt, bedeutungsvoll in die vermeintliche Ferne des Supermarkts. In seinen Blick drängen sich ein Friseursalon und ein Stand mit Leberkässemmeln. Leberkässemmeln um einen Euro, ein Fassonschnitt für 13 Euro: Beides weckt sein Interesse nicht. Letzteres wohl wegen der Glatze nicht, ersteres, weil er jetzt keinen Gedanken an Essen verschwenden kann und mag. Denn schließlich steht er hier an einer Supermarktkasse und kauft eine Familienpackung Klopapier - und sonst nichts. Es muss also dringend sein.

Der Kunde vor ihm hat bezahlt und geht zu dem Stand mit den Leberkässemmeln. Er kauft zwei. Die Lässigkeit des Glatzkopfes erleidet einen kleinen Dämpfer, als das Förderband vergeblich versucht, das Klopapier in Richtung Scanner zu befördern. Der hintere Teil der großen Packung hängt über das Förderband hinaus und zwingt den Mann dazu, dem Klopapier einen kleinen Schubs zu geben, damit es weiterfahren kann. Eine Geste, die fast zärtlich scheint und das Getue des Mannes letztlich doch der Lächerlichkeit preisgibt. Entspannt schmunzle ich und bin zufrieden mit der Einrichtung der Welt.

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