Montag, 1. Juli 2013

Grazer Reminiszenzen 2: Essen und Trinken

Bereist man fremde Länder, tut man das oft auch wegen oder trotz des dortigen Essens. Es soll ja Leute geben, die nur des Essens wegen nach Italien oder Frankreich fahren. Freilich gibt es dort auch einiges an Kultur und Natur zu bestaunen, aber das Kulinarische lockt in manchen Regionen mehr als alles andere. Für die Steiermark gilt das nur bedingt, und wann immer ich Menschen von meiner Wahlheimat Graz erzählt habe, fiel ihnen zum Thema Essen und Trinken immer nur das eine ein: Kernöl und Schilcher.

Dabei ginge ja auch Sterz und Puntigamer, Backhendl und Gösser oder Käferbohnen und Weichserl. Womit wir, das sage ich mit aller Arroganz, auch schon das steirische Kulinarium abgesteckt hätten, das beim Buschenschank anfängt und dort auch gleich wieder aufhört. Man komme mir jetzt nicht mit Weinstraße und Johann Lafer! Das ist alles schön und gut, aber eben nichts Alltägliches. Und ums Alltägliche soll es ja schließlich gehen. Vor allem beim Essen.

Was erwartet den Innergebirgler Absonderliches, wenn er nach Graz kommt? Am Anfang steht das Kernöl, das ich vor Graz nie mochte, von dem ich vorübergehend fast Fan wurde und das mir jetzt wurscht ist. Gleichgültigkeit einem Lebensmittel gegenüber ist ja in einer Zeit der allgegenwärtigen Nahrungsmittelunverträglichkeiten die höchste Stufe der Anerkennung. Ihr könnt mir Kernöl in die Schnitzelparnier tun, über's Vanilleeis gießen, pur zu trinken geben oder sogar in den Kaffee schütten - ich dulde es und seine unvermeidlichen Flecken wie ich die Milben in meiner Couch dulde, weil sie immer da sein werden und ich sie nie bemerke. Ob mir das Kernöl abgehen wird, jetzt, da es nicht mehr Standardnahrungsmittel ist? Das muss sich erst zeigen...

Gut in Erinnerung habe ich jedenfalls ein anderes Kürbiskernprodukt, nämlich die Suppen. Eine saisonale Köstlichkeit, die man in der Steiermark fast nirgends schlecht gemacht bekommt. Alles andere mit oder aus Kürbis oder den entsprechenden Kernen ist mir ebenfalls wurscht. In der Schokolade brauch ich das Zeug aber nicht, auch wenn die Firma Zotter (nicht nur diesbezüglich) anderer Meinung ist.

Was mir allerdings vollkommen unverständlich ist, ist der Fetisch, den Steirer mit ihren Backhendln pflegen. Mir kommt das weder sehr regional vor, noch haben mir steirische Backhendln je besser als irgendwelche anderen geschmeckt (auch nicht die in der Kürbiskernpanier). Vielleicht kann mir noch irgendwann mal wer erklären, was das explizit "Steirische" daran sein soll, an dem Backhendl, das in der Lieblingssommerspeise der Grazerinnen auf Salat im Kernöl ersoffen wird.

Eigentlich sind die Steirer aber Herbstleute. Nicht unbedingt des steirischen herbstes wegen, sondern vor allem wegen des Weins. Mit dem Aufsteirern beginnt es. Das ist eine von mir ungeliebte Lederhosen-Veranstaltung, bei der es nebst der Tracht vor allem um's Fressen und Saufen geht - wie bei jedem anderen Volksfest halt auch. Dann kommen Kastanien und Sturm und es beginnt die ewige Suche nach dem besten Maroni-Standl, bis man drauf kommt, dass man einfach Glück haben muss und es jenseits des Kernöls in der Steiermark eben keine absoluten Sicherheiten gibt.

Wer sich mit Sturm und Junker noch nicht besinnungslos getrunken hat, den erwartet im Advent das Glühweingelage in der Grazer Innenstadt. Absichtlich sagt man nicht Christkindlmarkt dazu, weil es wirklich nur um Glühwein geht bzw. Punsch und Feuerzangenbowle usw.; die Aufzählung stockt, weil mir da schlecht wird, allein, wenn ich allein an den Geruch denke, den der Hauptplatz zu dieser Zeit verströmt. Wer aber noch nie einen Schilcherglühwein probiert hat, der hat trotzdem was verpasst. Auch hier lohnt es aber, sich von Kennern informieren zu lassen, wo es brauchbaren und vor allem verträglichen zu finden gibt!

Abseits des saisonalen Angebots, sind mir zwei Dinge aus dem Grazer Bäckereisortiment besonders suspekt: Einerseits die Salzbrezen, die ich als Pinzgauer überhaupt nicht kannte, und die mich schockten, weil bei uns eine Breze immer auch automatisch eine Laugenbreze war. Naja, immerhin was gelernt! Andererseist suchte ich lange Zeit nach Mohnweckerln, die nicht süß waren, bis mir irgendwann jemand erklärt hat, dass das halt so sei. Ein Weltbild brach zusammen! Schließlich sahen die Mohnweckerln genau gleich aus wie jene daheim, nur, dass sie eben süßlich schmeckten. Das konnte ich nicht akzeptieren und nannte die Grazer allesamt verrückt. Süße Mohnweckerl! Ich schüttle immer noch den Kopf.


Was mir obendrein noch aufgefallen ist: Dass die Grazer keine Fastfoodkultur haben. Ja, da könnte man eventuell stolz drauf sein. Aber oh Schreck, wenn ich an die unsäglichen "Hot Dogs" denke, die da verkauft werden (Bosna ist praktisch unbekannt) und an die Käsekrainer, die im besten Falle mäßig waren! Man verlangt ja nicht viel von einem Würstelstand, aber die Mindesanforderungen hat da kaum einer erfüllt. Gott sei Dank gibt es in Graz viele Türken und also lässt sich das eine oder andere ordentliche bis sehr ordentliche Kebab-Etablissement finden. Aber das kann ja schließlich auch keine Lösung sein!

Von dem abgesehen hat mir Graz ein fast fünfjähriges Vegetarier-Dasein beschert (ja, das war freiwillig!), und ich bin nicht verhungert! Das war jedenfalls eine interessante Erfahrung und hat mich ohnehin in den meisten Fällen vor den Würstelständen bewahrt. In einer Studentenstadt lebt es sich als Vegetarier auf alle Fälle einfacher als am Land. Probleme bekommt man auch nur bei der Buschenschank. Denn dort gibt es dann die obligatorischen Käferbohnen - mit viel Kernöl! Vor etwas anderem hat mich nicht der Vegetarismus bewahrt, sondern der gesunde Menschenverstand: Blutsterz. Das war das erste kulinarische Fremdvokabel, das ich in Graz vernommen habe. Da wusste ich schon: Köstlichkeiten brauch ich mir keine erwarten.

Alles in allem habe ich aber überlebt, ja sogar zugenommen. Ich kam ja nach dem Bundesheer als halbertes Biafra-Kind (ein Ausdruck der 80er-Jahre, wie ich glaube) nach Graz und verließ die Stadt zwar nicht als Puntigamer-Pummerl, aber doch gut genährt. Ob es dem Bier geschuldet ist oder doch dem ewigen Kernöl, sei dahingestellt.


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