„De Deppattn san oft liab“, sagt
der Josef und gluckst in sein Bier hinein, von dem er nur zum Zwecke
dieses Satzes kurz abgelassen hat. Nach einem weiteren, tiefen
Schluck fügt er hinzu: „De Schiachn aa!“
Wieso das so sei, wird er vom Rupert
gefragt, der von sich selbst immer behauptet, er sei ja „im Grunde
ein Liberaler“, beziehungsweise – so korrigiert er sich selber
oft – ein „Freigeist“. Andere Leute behaupten, beim Rupert sei
es mit dem Geist nicht so weit her, aber das stört den Rupert wenig.
„Was meinst?“, fragt der Josef und
schaut dabei dem Rupert am Bier vorbei an, das immer noch leicht
gekippt in seiner großen Hand ruht, bereit, weiter in seinen Schlund
geleert zu werden. Eigentlich schaut er dem Rupert auf den Hals, denn
ganz hinauf bis zum Gesicht kommt der Josef mit seinen Augen heute
nicht mehr.
„Naja, du hast gesagt, die Deppattn
und die Schiachen sind oft lieb. Wieso, glaubst du, ist das so? Ich
mein, ich finde das ja auch, aber einfach so daher sagen kann man
das, finde ich, nicht. Warum also?“ Der Rupert wird immer sehr
eifrig, wenn er sich in etwas verbissen hat. Er glaubt nämlich von
sich selber, dass er immer alles hinterfrägt, weil das, so habe er
einmal wo gelesen, die Art eines Freigeistes sei.
Mit einer für seinen Zustand
überraschend dynamischen Bewegung kippt der Josef den letzten Rest
seines Bieres in sich hinein. Von der Seite sieht das aus, als würde
das Bier von seinem mächtigen Vollbart aufgesogen. Dass es aber
definitiv im Magen gelandet ist, erkennt man an einem beherzten
Rülpsen, das dem Josef jetzt entfährt. Stolz grinsend blickt er
sich um – man sieht seinen Mund durch den Bart hindurch zwar nicht,
aber die zusammen gekniffenen Augen mit den dicken Augenbrauen sind
Zeugen seines inneren Vergnügens. Langsam dreht er sich zum Rupert
hin und stützt sich mit seinem rechten Ellenbogen auf der Bar ab.
Was wohl lässig und überlegen wirken soll, wird zu einem kurzen
Kampf um sein Gleichgewicht. Einmal eingependelt sucht der Josef
wieder die Augen vom Rupert und findet sie wieder nicht.
„Weil eana nix ondas übrig bleibb!“,
nuschelt er und der Satz kostet ihm die letzte Kraft. Der Josef fällt
vornüber auf die schwere Holztheke, die in diesem Moment ihren
wahren Zweck offenbart. Die sehr klobige Bar ist für das winzige
Lokal eigentlich viel zu groß, aber nun sieht man, dass sie einzig
und allein dafür gemacht ist, die Last schwerer Oberkörper auf sich
zu nehmen. „Bummsdi!“, kommentiert der Wirt den Fall des Josef
vergnügt. „Des klescht immer so wüd!“, lacht er, während er
einen Schnaps einschenkt und diesen neben den großen Kopf vom Josef
hinstellt. Dem fragenden Blick Ruperts antwortet er: „Des brauchta
donn imma.“
„Sauft der immer so viel?“, fragt
der Rupert den Wirt. „Jojo, mei. Er oaweit jo a den gonzn Tog!“,
meint der Wirt und lacht wieder. Was denn der Josef arbeite, will der
Rupert wissen. „Ah, wos woas i. Im Winta duata meistns Liftln und
im Summa is a bei da Bohn und duat Boizn schmian oda so eppas.“ -
„Aha“, macht der Rupert.
„Owa wosa sogg, des stimmb scho, des
mit de Deppatn und de Schiachn“, sagt der Wirt weiter, „dass de
oft liab sand.“ „Ahja“, nickt der Rupert nachdenklich. „Er is
jo a im Grunde aa a Liaba“, erklärt der Wirt, deutet auf den
bewusstlosen Josef und kichert.
„Und ist es dann umgekehrt auch so,
dass die Gescheiten und die Feschen nicht lieb sind?“, fragt der
Rupert und man merkt, dass er auf diese Frage ungemein stolz ist. Man
müsse, so hat ihm nämlich sein Großvater immer gesagt, auch einmal
um die Ecke denken. Als kleiner Bub hat der Rupert lange Zeit
gedacht, es ginge da um die Egge, also das landwirtschaftliche Gerät,
und dass der Großvater eigentlich meinte, man müsse auch an die
Egge denken, wenn er gesagt hat, man „muas a amoi um d'Eggn denga“.
Da der Großvater in Oberösterreich eine Landwirtschaft führte und
auch sonst komisch redete, dachte der kleine Rupert damals, dass die
Wendung „um die Egge denken“ auf Oberösterreichisch etwa so viel
heiße wie „sich um die Egge sorgen“ bzw. eben „an die Egge
denken“. So blieb ihm der Sinn des großväterlichen Stehsatzes
lange Zeit verrätselt, aber seit er ihn entschlüsselt hat, ist es
sein Motto, wie er immer behauptet.
„Wos
moanst?“, fragt der Wirt und schaut ihn ein bisschen verständnislos
an. „Naja, wenn die Schiachn und Deppatn lieb sind, sind dann die
anderen alle nicht lieb? Also die Feschen und die Gescheiten?“ Der
Rupert hat jetzt, so glaubt er zumindest selber, den coolen Look
eines Kommissars, den er daheim immer vor dem Spiegel übt: Augen ein
bisschen zusammenkneifen, eine Augenbraue hoch ziehen, Kinn anheben
und Kopf nach vorne schieben.
„Aso
moast. Des woas i nid, mia homm koane Feschn und Gscheidn do!“,
sagt der Wirt, lacht lauthals und haut mit der flachen Hand mehrmals
auf den Tresen, als würde er sich damit selbst applaudieren. Davon
wacht der Josef wieder kurz auf. Er sieht den Schnaps, lässt ihn
beinahe mit Eleganz in seinem Bart verschwinden und kippt sogleich
wieder in seine vorherige Lage zurück.
Der
Rupert steht jetzt ein bisschen verdutzt da. Seine Versuche, mit
diesen einheimischen Volk in Kontakt zu kommen, waren bis jetzt nicht
von Erfolg gekrönt. Auf seine hintersinnige Frage bekam er nur eine
Prise innergebirglerischer Selbstironie präsentiert. Er wusste da
noch nicht, dass er einem ganz raren Phänomen auf die Spur gekommen
ist...
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