Es schiebt sich ein Hexenmeister an die
Theke. Imposant wirkt sein Hut, das Gesicht will nicht recht dazu
passen. Hinter ihm steht seine Freundin, die sich an einem
Hexenlachen versucht, denn sie ist natürlich als Hexe unterwegs. Sie
krächzt schwächlich vor sich hin, der Hexenmeister dreht sich zu
ihr um, lacht und sagt: „Mei, bist du schiach!“ Auch der Pirat,
der wandelnde Mülleimer und die Wanderhure lachen jetzt. Endlich
dürfe er das einmal in der Öffentlichkeit sagen, verkündet der
Hexenmeister. Der Mülleimer und die Wanderhure schauen verwundert.
„Sagst du ihr das sonst immer nur privat, oder wie?“, feixt der
Pirat. Die Hexe sieht den Hexenmeister böse an. Ihre künstliche
Warze scheint auf ihrer Nase hin und her zu zucken.
In der Tat sieht die Hexe unheimlich
hässlich aus. Erfrischend hässlich eigentlich, denn die meisten der
jüngeren Damen nutzen den Fasching bloß dazu, sich möglichst
aufreizend anzuziehen, um unter dem Vorwand einer Verkleidung kokett
sein zu dürfen – was sie sich selbst ansonsten strikt verbieten.
Dies gilt leider auch für viele Damen, die nicht mehr so jung sind.
Es geht ja so einfach: Hotpants mit Strumpfhose in hohen Stiefeln,
tiefes Dekolleté und dann Hasen- oder Katzenohren aufgesetzt. Was
ohne die entsprechenden Ohren aussehen würde wie das Outfit einer
Freizeitprostituierten, ist eben dann eine Katzen- oder
Häschenverkleidung. Warum? Damit sie dann neckisch sagen verkünden
können „Ich bin ein Haserl“ oder „Ein Katzerl bin ich“, wenn
ihnen ein schwer betrunkener Clown ein unvermeidliches „Wos bist
leicht du!?“ ins Gesicht rülpst.
Die Hexe aber, die hat wirklich nichts
Attraktives an sich. Die Wanderhure würde von sich das Gegenteil
behaupten, denn bei ihr handelt es sich um eine dieser älteren
Damen, die sich im Fasching dem betrunkenen männlichen Publikum auf
unansehnlichste Weise feilbieten. „Wos bist leicht du?!“ röhrt
ihr der Mülleimer ins Ohr. „Ich bin die Wanderhure!“ kichert
sie. Der Mülleimer sieht sie etwas verdutzt von oben bis unten an
und macht nur „Aha“. Etwas hat sich im Mülleimer entschieden. Er
dreht sich zum Piraten und bestellt zwei Schnäpse. Er hat zwar von
einer Wanderhure noch nie etwas gehört, aber das Wort erscheint ihm
vielversprechend und als Mülleimer darf man wohl auch nicht gar so
heikel sein.
Der Hexenmeister und seine Freundin
stehen ein bisschen beklommen herum und deswegen bekommen sie vom
Piraten auch einen Schnaps. Der Mantel des Hexenmeisters, der wohl
eigentlich einmal ein Friseurumhang war, bereitet seinem Träger
unheimliche Schwierigkeiten. Es sieht aus, als suche der Hexenmeister
darin ständig seine Hände bzw. seine Hände die Freiheit. Nach
einigem angestrengten Herumhantieren gleitet zur Überraschung des
Hexenmeisters und aller Anwesenden plötzlich seine rechte Hand unter
dem Umhang an einer vollkommen unvorhergesehenen Stelle hervor und
greift nach dem Schnapsglas. Das ganze sieht aus, als hätte der
Hexenmeister die Kontrolle über seine Hände verloren. „Der
Zauberlehrling hat aus seinem Umhang gefunden!“, kommentiert der
Pirat die Szene. „Hexenmeister!“, kreischt die Hexe empört.
„Prost!“ Der Hexenmeister leert sein Glas und seine Hand
verschwindet wieder in seinem Umhang als hätte sie ihre Schuldigkeit
nun getan und dürfte sich nun wieder in ihr unerklärliches Versteck
zurückziehen.
Der Mantel des Hexenmeisters ist mit
verschiedenen Zeichen bemalt, die für seine okkulten Machenschaften
Pate stehen sollen. Darunter ist auch ein Davidstern zu entdecken.
Der Mülleimer zeigt mit seinem langen Finger auf den Stern und
gröhlt: „Sog amoi, du bist jo a Jud!“ Verdutzt schaut der
Hexenmeister an sich herunter und beäugt den Davidstern. Seine Hände
zupfen von innen den Umhang zurecht; es sieht aus, als würde sich
der Davidstern den Betrachtern von selbst zur Schau stellen. „Ajo!“
sagt der Hexenmeister überrascht und fügt gleich entschuldigend
hinzu, dass den Mantel seine Freundin bemalt habe.
„Das hätte wohl ein Pentagramm
werden sollen“, sagt der Pirat gescheit. „Naja, so ein
Satansstern hätt das sein sollen“, erklärt der Hexenmeister und
sucht seinen Mantel nach anderen unglücklichen Symbolen ab. Die Hexe
hat sich weg gedreht und schaut in ihr Glas als suche sie etwas
darin.
„Bist halt ein Zauberjud!“, sagt
der Mülleimer kichernd. „Wie der Gargamel!“, fügt der Pirat
hinzu, „der war ja auch Zauberer und ganz offensichtlich ein Jude!“
- „Hexenmeister!“, protestiert die Hexe wieder, „der Gargamel
war auch ein Hexenmeister! Kein Zauberer!“
„Wo ist denn da der Unterschied?“,
fragt die Wanderhure. „Lebt der eigentlich noch?“, fragt der
Pirat und kichert. „Wer? Der Zauberlehrling?“ - „Nein, der
Gargamel!“ - „Hexenmeister! Nicht Zauberlehrling!“ - „Ich bin
kein Gargamel!“, schreit der Hexenmeister. „Aber a Jud bist! Hast
ja den Stern auf deinem Umhang!“ ereifert sich der Mülleimer. „Ja
und? Und woher willst du eigentlich wissen“, er wendet sich dem
Piraten zu, „ob der Gargamel Jude war?“
„Er schaut semitisch aus und seine
Katze heißt Azrael – das sind doch alles jüdische Namen.
Gargamel, Azrael. Alles mit -el hinten. Das heißt 'Gott' oder so.“,
verteidigt sich der Pirat. „Du bist ja ein Nazi! Was soll das
heißen, der schaut semitisch aus?“ Der Hexenmeister wird böse,
aber es ist nicht zu sagen, ob er gegen antisemitische Vorurteile ins
Feld ziehen oder bloß sein unglücklich verziertes Kostüm
verteidigen will.
„Der frisst Schlümpfe, sag ich dir!“
Es klingt wie das letzte Argument des Piraten. „Nein, die will er
zu Gold machen!“, nuschelt die Wanderhure, die jetzt dem Schnaps
nachgegeben hat. „Also doch ein Jud!“, ruft der Pirat. „Jetzt
hör aber auf!“, unter dem Umhang des Hexenmeisters fuchteln seine
Hände wild herum als wollten sie ins Freie. „Woher wisst's ihr
überhaupt so viel über die Schlümpfe?“, wundert sich die Hexe.
„Is ja wurscht jetzt!“ Der Mülleimer versucht, die Aufgebrachten
zu beruhigen und klammert sich an die Wanderhure, die ihrerseits nur
noch schlapp im linken Arm des Mülleimers hängt. „Mir is
schlecht“, sagt sie. Der Mülleimer rüttelt verzweifelt an ihr.
„Gut, bin ich halt ein Jud!“,
verkündet der Hexenmeister. „Nein, du bist ein Hexenmeister!“,
gibt sich die Hexe uneinsichtig. „Ein Hexenmeister mit
Davidstern!“, sagt der Pirat. „Ja, genau. Ein Hexenmeister mit
Davidstern bin ich. So geh ich nächstes Jahr zum WKR-Ball nach Wien
und schau, was die neuen Juden dazu sagen!“ Der Pirat, der
Hexenmeister und die Hexe kichern. Auch der Mülleimer lacht sein
blechernes Lachen, wobei ihm die Wanderhure aus dem Arm gleitet.
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