Der Frühling startet durch hier in
Graz. Und er beschert uns 10 Gerüche, die wir den Winter über
vermisst haben.
Der Geruch vom Murufer: Jeder Grazer
kennt den Geruch, der einem in die Nase steigt, wenn man im
Innenstadtbereich die Mur entlang geht, oder auch nur einem Murufer
zu nahe kommt. Faulig riecht es da, aber eben auch irgendwie
lebendig. Böse Zungen behaupten, der Geruch stamme von den Leuten,
die da im Sommer gerne herumgammeln. Das kann aber nicht sein, denn
die tragen höchstens dazu bei, dass der faulige Murgeruch hin und
wieder von Marihuanaschwaden durchdrängt wird und sich dergestalt
versüßt, dass man glaubt, man stünde vor einem brennenden
Schweinestall, in dem ganz viele kleine Karamel-Schweinderl hausen.
Ansonsten riecht es dort leider einfach nur schlecht.
Der Geruch von Kanal: Nur bei seltsamen
Wetterlagen drängt er im Winter aus dem Grazer Untergrund nach oben:
Im Sommer hingegen ist der Kanalgeruch fast ein Klassiker und in
seinem Wesen dem Geruch vom Murufer gar nicht so unähnlich. Gemein
am Kanalgeruch ist nur, dass er hotspotartig auftritt, und einen also
meistens überraschend in die Nase fährt, wohingegen man ja genau
weiß, worauf man sich einlässt, wenn man dem Murufer zu nahe kommt.
Der Geruch von vergossenem Alkohol: Ja,
auch im Winter riecht es in der ganzen Grazer Innenstadt nach
Glühwein- und Punschresten. Im Sommer jedoch eröffnen sich den
verschütteten Getränken vielfältige Möglichkeiten, auch noch
Stunden nach dem Austreten zu belästigen. Versickert etwa Bier im
warmen Boden des Stadtparks – im Laufe des Sommers werden es
mehrere Hektoliter sein – ergibt das alsbald den so typischen
Festivalgeruch, also den Geruch von falsch verstandener Freiheit.
Überhaupt fördert die Wärme im Frühling und Sommer ja in jeder
Weise die Geruchsentwicklung. Ideale Bedingungen also, denn so viele
Spritzwägen hat die Stadt Graz gar nicht, dass sie dem Alkgeruch
Herr werden könnte.
Der Geruch von Feinstaub: Zugegeben,
richtig gerochen habe ich den Feinstaub noch nie. Aber dass er da
ist, merkt man in jedem Fall. Es sind nicht nur die Abgase direkt an
der Straße, die einem in das Gesicht stinken, es ist die „dicke
Luft“ überhaupt, der man in Graz gar nicht entrinnen kann. Das
muss sich nicht unbedingt in einem bestimmten Geruch niederschlagen,
aber es erlaubt einem auch nicht, in der Früh das Fenster
aufzureißen, einen tiefen Zug zu nehmen und entspannt „Aaah!“ zu
sagen. Manchmal aber, wenn man sich wieder mal sehr
sauerstoffunterversorgt vorkommt in Graz, dann meint man, den
Feinstaub sogar riechen zu können. Er riecht wie eine alte,
elektrostatisch aufgeladene Wolldecke und so gefährlich harmlos
giftig.
Der Geruch von Grill: Ob im
Schrebergarten oder auf Balkonen von Wohnhäusern: Man hat das
Gefühl, dass die Grazer das ganze Jahr hindurch grillen. Im Jänner
mag es einmal eine kurze Pause gegeben haben, aber ansonsten glimmt
in dieser Stadt der Grill andauernd. Trotzdem lässt sich zum
Sommerbeginn natürlich ein signifikanter Anstieg an Rauchschwaden
verzeichnen, die sich in den feinstaubverhangenen Grazer Himmel
schlängeln. Dann riecht es wieder überall nach verbranntem Fleisch,
mit dem sich Studenten wie Pensionisten gleichermaßen die von der
ersten Sonne geröteten Bäuche vollschlagen. Gustiös ist der
Grillgeruch irgendwann nicht mehr, denn er hat den Zauber des
Besonderen, der ihm noch in mancher Kindheit anhaftete, verloren.
Nicht nur am Mittwoch oder am Sonntag wird hier gegrillt, sondern an
jedem Werk- und Feiertag und zwar überall, am besten drei Mal
täglich.
Der Geruch von billigem Parfum:
Frühlingszeit ist Paarungszeit und deshalb greifen Männlein wie
Weiblein zu jedem erdenklichen Mittel, um sich dem jeweils anderen
(oder dem eigenen) Geschlecht schmackhaft zu machen. Nicht selten
sind hierbei zweifelhafte Düfte Mittel zum Zweck. Dass Männer bei
der Parfumwahl selten Geschmack beweisen, ist bekannt. Deshalb gibt
es jedes Jahr einen neuen Duft von Axe, der sich auch verkauft.
Leider greifen auch immer mehr Mädchen zu jener Massenware, welche
über Drogerieketten unter dem Schlagwort „Frühlingsduft“
werbewirksam in Umlauf gebracht wird. Parfums dieses Genres sind
meistens süß, riechen also irgendwie lieb und nach Blumen oder
Zuckerl und das passt nach Meinung hormongeschwängerter Mädchenköpfe
gut zum Frühling und den kurzen Rockerln. Dann stinken die
wandelnden Zuckerlgeschäfte über den Campus und in der Sporgasse
herum, solange bis das Flascherl leer ist oder der Kopf endlich sagt,
dass ihm das eigentlich zu süß sei. Dabei wissen doch alle, dass
der allerbeste Frühlings- wie auch Sommerduft der Geruch von
Sonnencreme auf gepflegter Frauenhaut ist!
Der Geruch vom Schlossberg: Ich weiß
gar nicht, ob der Schlossberg im Winter nicht gleich reicht wie im
Sommer – wahrscheinlich schon. Aber die schlagende Kühle, die im
Sommer aus dem Berg in die aufgeheizten Grazer Gassen strömt,
verleiht dem strengen Höhlengeruch eine fast erfrischende Note. Was
eigentlich nach Grab riechen sollte, riecht so nach Steinbruch in
einer Vollmondnacht, also nur nach Grabesnähe. Gerne lasse ich mich
an einem heißen Hochsommertag von dem klammen Wind anwehen und sauge
die Luft aus dem Innern des Schlossberges ein, während ich mir
vorstelle, wie tief drin im Stollen von Fledermäusen verkackte
Tropfsteinhöhlen atmen. Herrlich!
Der Geruch von Eisdielen: Eisdielen
riechen im Idealfall nach gar nichts. Eigentlich sind Eisdielen die
einzigen Geschäfte, in die man hineingeht und die nach nichts
riechen – zumindest wenn dort nur Eis verkauft wird. Das Eis selbst
ist zu kalt, um nach seiner Geschmacksrichtung zu duften und sonst
gibt es dort nichts, was riechen könnte. Höchstens nach
ausgeronnenem Kühlwasser könnte es dort stinken. Aber in solche
Eisdielen – wenn es sie in Graz, der Eishauptstadt Österreichs,
überhaupt geben sollte – geht man sowieso nicht hinein. Das Innere
von Eisdielen riecht steril, und zwar steriler als eine Arztpraxis
oder ein Krankenhaus je riechen können: nämlich eben nach gar
nichts. Achten Sie mal drauf!
Der Geruch von Tennisplätzen:
Zugegeben, jemandem, der nicht Tennis spielt, wird das nicht viel
sagen. Aber schließlich kann ich auch nicht auf jene Leute Rücksicht
nehmen, die partout in keine Eisdiele zu bekommen sind. Dabei hat der
Geruch von Sandplätzen die bemerkenswerte Eigenschaft, sich an die
Umgebung anzupassen. So reagiert der gebrannte Kalk nicht nur auf die
Temperatur im Laufe des Tages, sondern auch auf die Menschen, die auf
ihm gelbe Filzbälle umher dreschen. Gibt er sich morgens noch kühl
und nüchtern wie Kies, schwingt er sich in den heißen
Mittagsstunden zu einem Geruch auf, der, heiß und giftig, jenem von
Sommer-Baustellen nahe kommt, um dann am späteren Nachmittag,
bereits die unzähligen Schweißtropfen der Spieler aufgesogen
habend, einen gutmütig müden wie auch beruhigenden torfähnlichen
Geruch anzunehmen. So lästig der Sand sich in sämtlichen Ritzen der
Kleidung festzusetzen weiß, so reizvoll ist sein Geruch, dessen
Kondensat einem noch einmal in die Nase steigt, wenn man sich unter
der Dusche den rötlichen Rest von den Beinen wäscht und dieser sich
wirbelnd in den Abfluss drängt.
Der Geruch von Straßenbahnen: Die
öffentlichen Verkehrsmittel im Sommer zu benutzen, ist ein sehr
zweifelhaftes Vergnügen. Der Schweißgeruch der Passagiere verübelt
einem den schönsten Sonnentag, zumal an Tagen, an denen am
Nachmittag ein an sich vernüglicher Sommerregen niedergeht, es in
den Bims feuchtwarm und stickig wird. Sollte man aber in den seltenen
Genuss eines leeren Straßenbahnwaggons kommen, erlaubt das warme
Klima es der Maschine, ihre sämtlichen olfaktorischen Reize
auszuspielen. Man glaubt dann, jede einzelne Schraube, jede Dichtung,
jeden Gummi riechen zu können. Dazu kommt der wohlige Geruch von
Maschinenöl, Bremsen, Elektrizität und wenn Eisen sich an Eisen
reibt, quietscht das nicht nur schön schaurig und irgendwie urig,
sondern man glaubt es auch duften zu hören – eine synästhetische
Sinfonie von besonderer Anmut, die man den klapprigen Viechern gar
nicht zutraut.
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